Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt das Familiengericht die in § 224 Abs. 4 FamFG bestimmte Benennung eines im Zeitpunkt der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung nach den §§ 9 - 19 VersAusglG noch nicht teilungsreifen Anrechts, so liegt eine Beschwer des ausgleichsberechtigten Ehegatten im Sinne des § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG unabhängig davon vor, dass die Benennung des noch nicht ausgleichsreifen Anrechts keine konstitutive Wirkung entfaltet.
2. Ein nicht ausgeglichenes Anrecht im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ist auch eine zum Zeitpunkt der (Ausgangs-)Entscheidung noch verfallbarer endgehaltsbezogener Anteil einer betrieblichen Altersversorgung.
3. Wird der Versorgungsausgleich auf Antrag eines Ehegatten gemäß Artikel 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB nach den §§ 6 bis 19 VersAusglG durchgeführt, handelt es sich nicht um Ausgleichsansprüche nach der Scheidung im Sinne des § 50 Abs. 1 FamGKG.
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 19.10.2016; Aktenzeichen 86 F 50/16) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bingen am Rhein vom 19.10.2016 zu Nr. 1. dritter Absatz wie folgt ergänzt:
Hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei der V. (Vers.-Nr.:) bleiben im Übrigen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Beteiligten gegeneinander aufgehoben.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.670,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Nach Scheidung der am 29.04.1995 in Bosnien geschlossenen Ehe der Beteiligten durch Urteil des AG D./Bosnien vom 19.10.2015 hat das AG auf Antrag der Antragstellerin gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB mit dem angefochtenen Beschluss den Versorgungsausgleich durchgeführt und unter anderem im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der V. zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von jährlich 1.476,24 EUR übertragen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, das Anrecht des Antragsgegners bei der V. enthalte einen endgehaltsbezogenen Anteil; in Bezug auf diesen Anteil der betrieblichen Altersversorgung sei in dem angefochtenen Beschluss entgegen der Verpflichtung nach § 224 Abs. 4 FamFG der Vorbehalt eines späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht enthalten. Der Beschluss sei deshalb im Tenor entsprechend zu ergänzen.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde mit der Begründung entgegen, der streitgegenständliche Anteil seiner betrieblichen Altersversorgung habe im Zeitpunkt der Entscheidung überhaupt nicht existiert und auch die Entstehung des Anrechts in der Zukunft sei ungewiss. Ein Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs sei deshalb nicht möglich.
Die V. teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, verweist allerdings darauf, dass Ausgleichsansprüche nach der Scheidung wegen des streitgegenständlichen Anrechts auch ohne die begehrte Ergänzung der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht werden können.
2. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
A. Auch wenn das erkennende Gericht in einem späteren Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung an die Feststellungen über den nicht vollständigen Ausgleich in dem Verfahren über den Wertausgleich bei der Scheidung - um ein solches Verfahren handelt es sich hier - nicht gebunden ist, fehlt der Beschwerde der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis nicht.
Unterlässt das Familiengericht die in § 224 Abs. 4 FamFG bestimmte Benennung eines im Zeitpunkt der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung nach den §§ 9 - 19 VersAusglG noch nicht teilungsreifen Anrechts, so liegt eine Beschwer des betroffenen Ehegatten im Sinne des § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG unabhängig davon vor, dass die Benennung des noch nicht ausgleichsreifen Anrechts keine konstitutive Wirkung entfaltet (a.A.: OLG Stuttgart, FamRZ 2016, 56).
Nach § 224 Abs. 4 FamFG ist das Gericht verpflichtet, in der Begründung der Endentscheidung diejenigen Anrechte ausdrücklich zu benennen, bei denen gemäß § 19 VersAusglG ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet und demzufolge nur Ausgleichsansprüche nach der Scheidung im Sinne der §§ 20 ff. VersAusglG in Betracht kommen. Durch die ausdrückliche Benennung dieser Anrechte sollen die Eheleute und ihre Bevollmächtigten daran erinnert werden, dass noch nicht ausgeglichene Anrechte vorhanden sind, und gleichzeitig darauf hingewiesen werden, welche Anrechte dies sind (BT Drs 16/10144 Seite 97). Zudem erleichtert die Benennung der nicht (vollständig) ausgeglichenen Anrechte in Folgeverfahren die Feststellung, in welchem Umfang ein Versorgungsausgleich bereits stattgefunden hat (Wagner in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 224 Rnr. 15).
Auch wenn der Benennung der besagten Anrechte in der Entscheidungsbegründung keine konstitutive Wirkung zukommt und das erkennende Gericht in dem Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung hieran nicht gebunden ist (vgl....