Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlassung. Verteidigererklärung. Verlesung
Leitsatz (amtlich)
1. Schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte im anhängigen Verfahren zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgibt, können verlesen werden, selbst wenn er später Angaben verweigert.
2. Hat er sich gegenüber einer anderen Person geäußert und diese die Äußerung schriftlich festgehalten, so handelt es sich bei der Wiedergabe um die Erklärung dieser Person; geht es um die Feststellung, ob der Angeklagte das schriftlich Niedergelegte geäußert hat, so ist die niederschreibende Person über ihre Wahrnehmung bei der Unterredung mit dem Angeklagten zu vernehmen. Nichts anderes gilt, wenn die niederschreibende Person der Verteidiger ist.
Normenkette
StPO § 250
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 09.12.2015) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2015 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Strafbefehlsantrag vom 30. März 2015 legt die Staatsanwaltschaft Koblenz dem Angeklagten zur Last, am 8. Dezember 2014 in H. einen Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung begangen zu haben, indem er im Staatswald N. entlang eines Waldweges unterhalb des Hotels "...[A]" ohne Kenntnis und Billigung des Forstamtes 15 Festmeter Douglasienstammholz, "Hiebsunreife" sowie Energieholz im Gesamtwert von 3.235 € geschlagen habe, um das Holz anschließend für eigene Zwecke zu verwenden.
Nachdem der Angeklagte gegen den am 8. April 2015 vom Amtsgericht Montabaur erlassenen Strafbefehl rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte, sprach das Amtsgericht Montabaur den Angeklagten mit Urteil vom 31. Juli 2015 aus Mangel an Beweisen frei.
Auf die rechtzeitig eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte das Landgericht Koblenz den Angeklagten am 9. Dezember 2015 wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 80 €.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz am 10. Dezember 2015 Revision eingelegt. Nach Urteilszustellung am 21. Januar 2016 hat der Verteidiger die Revision am Montag, dem 22. Februar 2016, begründet.
II.
Die form- und fristgerecht angebrachte Revision hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die neben anderen Verfahrensrügen und der Sachrüge zulässig erhobene Rüge der Verletzung des § 250 Satz 2 StPO führt zur Aufhebung des Urteils.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung und zuvor auch im Ermittlungsverfahren Angaben zur Sache verweigert. In der Berufungshauptverhandlung wurden zwei bei der Akte befindliche Schriftsätze seines Verteidigers vom 6. Februar 2015 auszugsweise verlesen. In dem an das Forstamt N. gerichteten Schriftsatz hatte der Verteidiger für den Angeklagten erklärt, dieser bedauere den Vorfall zutiefst und wolle sich für sein Verhalten entschuldigen; er habe ihn (den Verteidiger) gebeten abzuklären, inwieweit die Gegenseite zur Mitwirkung an einem Täteropferausgleich bereit sei. An die Staatsanwaltschaft gerichtet hatte der Verteidiger "namens und im Auftrag" des Angeklagten mitgeteilt, dass dieser die Tatbegehung dem Grunde nach nicht bestreite. Beide Schriftsätze hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil seiner Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
2. Diese Verfahrensweise verstößt gegen § 250 Satz 2 StPO, worauf bereits die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 6. April 2016 zutreffend hingewiesen hat.
Die schriftsätzlichen Ausführungen des Verteidigers, in denen er Angaben des Angeklagten wiedergibt, waren hier nicht als schriftliche Erklärung des Angeklagten verlesbar (vgl. BGHSt 39, 305 Ls. 1). Es ist anerkannt, dass schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte im anhängigen Verfahren zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgibt, verlesen werden können, selbst wenn er später Angaben verweigert. Denn das Gesetz lässt den Urkundenbeweis zu, wo es ihn nicht ausdrücklich untersagt (BGHSt 39, 305, 306; 20, 160, 162; 27, 135, 136). Das gilt jedoch nur für schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte selbst abgegeben hat. Hat er sich gegenüber einer anderen Person geäußert und diese die Äußerung schriftlich festgehalten, so handelt es sich bei der Wiedergabe um die Erklärung dieser Person; sie schreibt nieder, was sie als Äußerung des Angeklagten wahrnimmt. Geht es um die Feststellung, ob der Angeklagte das schriftlich Niedergelegte geäußert hat, so ist die niederschreibende Person über ihre Wahrnehmung bei der Unterredung mit dem Angeklagten zu vernehmen (§ 250 StPO). Nichts anderes gilt, wenn die niederschreibende Person der Verteidiger ist (BGHSt 39, 305, 306; NStZ 2002, 555; OLG Celle NStZ 1988, 426). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte sich des Verteidigers nur "als Schreibhilfe" b...