Entscheidungsstichwort (Thema)
"Sittenwidrige Armut" bei Prozesskostenhilfe für eine Miterbenklage
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 16.06.2010; Aktenzeichen 5 O 590/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Koblenz vom 16.6.2010 - Rechtspfleger - aufgehoben.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
I. Die Klägerin hat den Beklagten im Zuge der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft auf Zahlung von 43.528,75 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das LG Koblenz hat mit Beschluss vom 18.3.2008 der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt (PKH-Heft 13). Die Parteien haben sich vergleichsweise geeinigt. Aus dem Vergleich sind an die Klägerin 7.500 EUR, an die Miterbin ... [A] 15.000 EUR und an den Miterben ... [B] 3.750 EUR gezahlt worden. Der Rechtspfleger beim LG hat mit Beschluss vom 16.6.2010 (PKH-Heft 34) der Klägerin aufgegeben, die bisher gestundeten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten an die Staatskasse zu zahlen, weil sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei geändert hätten. Die Vergleichssumme stelle ein Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO dar, dessen Einsatz zur Bestreitung der Prozesskosten zumutbar sei. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin.
II. Die Beschwerde hat Erfolg.
Gemäß § 120 Abs. 4 ZPO kann die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen geändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Umstände wesentlich geändert haben. Ob sich die Verhältnisse geändert haben, darf nur so festgestellt werden, dass die Verhältnisse der Ursprungsentscheidung und diejenige zur Zeit der erneuten Entscheidung miteinander vergleichen werden und dann geprüft wird, ob zwischen beiden ein wesentlicher Unterschied besteht (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rz. 19a; OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 1551). Wesentlich ist nur eine Verbesserung, die den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert (Zöller/Geimer, § 120 Rz. 21 m.w.N.; OLG Hamm MDR 1991, 62). Eine solche wesentliche Verbesserung kann auch dadurch begründet werden, dass die Partei erhebliche Beträge aus einem Prozessvergleich erhält (Zöller/Geimer, ebd.).
Der Rechtspfleger hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung dargelegt, dass nicht nur auf den Betrag abzustellen sei, den die Klägerin erhalten habe, sondern auf die Gesamtsumme, die an die Mitglieder der Erbengemeinschaft gezahlt worden sei, da die Klägerin in Prozessstandschaft für die noch ungeteilte Erbengemeinschaft Ansprüche geltend gemacht habe. Der Rechtspfleger hat dabei auf die Entscheidung des BGH v. 16.9.1991 - VIII ZR 264/90 (VersR 1992, 594) Bezug genommen.
Die Entscheidung des Rechtspflegers wird zu Recht von der Klägerin angegriffen. Der zitierten Entscheidung des BGH lag eine Fallkonstellation zugrunde, wo der Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft eine Restkaufpreisforderung, die er vorprozessual an seine Schwester abgetreten hatte, geltend gemacht hat. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass derjenige, der ein fremdes Recht geltend mache, für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe darlegen müsse, dass auch der Rechtsinhaber nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Prozesskoten nicht aufbringen könne (BGH VersR 1992, 594 unter Bezugnahme auf st. Rspr. des BGH, u.a. BGHZ 96, 151, 153).
Hier liegt jedoch ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft vor, auf den die Maßstäbe der gewillkürten Prozessstandschaft nicht entsprechend angewandt werden können.
Klagt ein Miterbe gem. § 2039 S. 1 BGB auf Leistung an die Erbengemeinschaft, so ist bezüglich der Gewährung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur die eigene Einkommens- und Vermögenslage des klagenden Miterben maßgeblich, da er nicht namens der Erbengemeinschaft klagt, sondern ein eigenes Klagerecht geltend macht. Schieben allerdings die vermögenden Miterben den Vermögenslosen lediglich vor, um auf diese Weise Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit zu erlangen, dann kann hierin ein sittenwidriger Umgehungsversuch liegen, der zur Aufhebung des Gesuchs führt. In diesem Fall ist auf das Vermögen der gesamten Erbengemeinschaft abzustellen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.1.2009 - 5 W 39/09, NJW 2009, 2070 = MDR 2009, 1003, Juris Rz. 9 unter Hinweis auf Staudinger-Werner, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neukommentierung, § 2039 BGB Rz. 29 m.w.N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 75; Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 114 ZPO Rz. 9 und ähnlich BGH, Beschl. v. 20.7.1984 - III ZR 107/84, VersR 1984, 989 für den Fall der Abtretung eines Anspruchs der Erbengemeinschaft).
Das OLG Saarbrücken (vgl. hierzu auch Anm. von Franz Linnarz, jurisRP-FamR 12/2009, Anm. 6) hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass aus dem Umstand, dass ein armer Miterbe Ansprüche der Erbengemeinschaft allein im...