Verfahrensgang

StA Koblenz (Aktenzeichen 2010 Js 10122/12)

 

Tenor

Die Sache wird dem mit drei Richtern besetzten Senat übertragen.

 

Gründe

1.

Mit Schreiben vom 8. März 2011 forderte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord die F. GmbH, die Arbeitgeberin des Betroffenen, auf, zwecks Überprüfung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr u.a. Arbeitszeitnachweise für die als Fahrpersonal eingesetzten Mitarbeiter "durch Aufzeichnungen, Originalschaublätter von EG-Kontrollgeräten und Fahrtenschreibern oder durch elektronische Daten von digitalen EG-Kontrollgeräten" für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011 vorzulegen.

Nach Auswertung der Unterlagen wurde dem Betroffenen zur Last gelegt, in der Zeit vom 5. November 2010 bis zum 28. Januar 2011 insgesamt 36 Ordnungswidrigkeiten begangen zu haben. Dabei handelt es sich um

- 18 Fälle der verspäteten Fahrtunterbrechung (Art. 7 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 4 Fälle der Tageslenkzeitüberschreitung (Art. 6 Abs. 1 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 2 Fälle der Tagesruhezeitverkürzung (Art. 8 Abs. 2 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 4 Fälle der verspäteten Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung und Tagesruhezeitverkürzung (Art. 7, 6 Abs. 1, 8 Abs. 2 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 5 Fälle der verspäteten Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tageslenkzeitüberschreitung (Art. 7, 6 Abs. 1 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 2 Fälle der verspäteten Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit Tagesruhezeitverkürzung (Art. 7, 8 Abs. 2 VO [EG] Nr. 561/2006);

- 1 Fall der Tageslenkzeitüberschreitung in Tateinheit mit Tagesruhezeitverkürzung (Art. 6 Abs. 1, 8 Abs. 2 VO [EG] Nr. 561/2006),

die der Vorurteilte nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 10. Mai 2012 teils vorsätzlich, teils fahrlässig und teils in einer Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination begangen haben soll.

Der von dem Betroffenen jeweils geführte LKW (26 t) war mit einem digitalen EG-Kontrollgerät ausgestattet.

Wochen- und Doppelwochenverstöße (Art. 6 Abs. 2, 3 VO [EG] Nr. 561/2006) werden dem Betroffenen nicht zur Last gelegt. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es solche, abweichend von den tatrichterlichen Feststellungen, gegeben haben könnte.

Von den verhängten Bußgeldern übersteigen nur zwei (Fälle 15 und 20) mit 420 EUR bzw. 440 EUR die 250 EUR - Grenze des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Insgesamt soll der Betroffene 3.000 EUR zahlen.

2.

Ob die gegen das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 10. Mai 2012 eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen ohne Weiteres für alle Fälle zulässig ist oder in den 34 Fällen, in denen 250 EUR nicht übersteigende Geldbußen festgesetzt wurden, jeweils die Voraussetzungen des § 80 OWiG zu prüfen sind, hängt gemäß § 79 Abs. 2 OWiG davon ab, ob alle Verfehlungen Teilakte einer Tat im Sinne des § 264 StPO sind. Dies ist nach Ansicht des Senats in Person des zunächst zur Entscheidung berufenen Einzelrichters nicht der Fall.

3.

Allerdings wird in jüngerer Zeit in der Rechtsprechung ohne nähere Begründung angenommen, dass Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeitenregelungen der VO (EG) Nr. 561/2006, die ein Kraftfahrer innerhalb eines bestimmten Tatzeitraumes begeht, immer Einzelakte einer Tat im Sinne des § 264 StPO seien (OLG Frankfurt v. 13.07.2010 - 2 Ss OWi 17/10 - [...] - NStZ-RR 2010, 355; siehe auch OLG Hamm v. 16.04.2012 - 3 RBs 105/12 - [...]; Thür. OLG v. 19.10.2010 - 1 Ss Bs 78/10 - [...] - VRS 121, 53 und Senatsbeschl. v. 03.07.2012 - 1 SsBs 63/12).

Dieser Zeitraum wird in Anlehnung an das in § 1 Absatz 6 Satz 4, Abs. 7 FPersV umgesetzte Unionsrecht auf 28 Tage (richtig: 29 Tage) festgesetzt, wobei von einem "zur Sanktionierung gestellten Tatzeitraum" (OLG Frankfurt a.a.O.) die Rede ist, "der in der Verordnung mit 28 Tagen vorgegeben" sein soll, wenn ... "ein digitales Aufzeichnungsgerät gemäß Verordnung (EG) Nr. 2135/98 Verwendung findet" (Thür. OLG a.a.O.).

4.

Dem kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil die Pflicht des Fahrers, Aufzeichnungen oder Daten über den laufenden sowie die vorausgehenden 28 Tage mit sich zu führen, unabhängig davon besteht, ob in dem Fahrzeug ein mechanischer oder digitaler Tachograph vorhanden ist (Art. 15 Absatz 7 VO (EWG) Nr. 3821/85 (nach nationalem Recht § 1 Absatz 6 Satz 4, Abs. 7 FPersV). Lediglich die Ausdehnung des Zeitraumes auf 29 Tage seit dem 1. Januar 2008 ist dem Umstand geschuldet, dass Fahrzeuge, die nach dem 30. April 2006 zugelassen wurden, mit digitalen Kontrollgeräten ausgestattet sein müssen und der Fahrer dann eine Fahrerchipkarte mit den notwendigen Daten mit sich führen muss, was die Kontrolle für alle Beteiligten erheblich vereinfacht und verkürzt. Letztlich liegt der Ausdehnung die Erwartung zugrunde, dass ältere Fahrzeuge nach und nach "aussterben" oder nachgerüstet werden und deshalb - wie es in EG 34 zur VO (EG) Nr. 561/2006 heißt - "in Zukunft eine schnellere und umfassendere Kontrolle auf der Straße" möglich ist.

Mit einem "zur Sanktionierung gestellten Tatzeitraum" hat das allerdings nichts zu tun. Nach Art. 4 ...

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