Leitsatz (amtlich)
1. Kommt ein Motorradfahrer auf einer schmalen Landstraße mit einer äußerst kurvenreichen Streckenführung bei eingeschränkter Sicht wegen vom umgebenden hohen Baumbewuchs verursachten wechselnden "Licht- und Schattenspiels" durch ein auf der Fahrbahn befindliches Sand-Split-Gemisch zu Fall, begründet dies keine Haftung des verkehrssicherungspflichtigen Straßenbaulastträgers, wenn dieser einen ein- bis eineinhalbwöchigen Kontrollrhythmus für die Landstraße eingehalten hat.
2. Ein Motorradfahrer ist gehalten, mit seinem Motorrad nur so schnell zu fahren, dass er auf mögliche Hindernisse - auch dann, wenn sie hinter einer Kurve und/oder im Schatten eines Baumes auftauchten - situationsangemessen reagieren kann.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 33/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.04.2020.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger das beklagte Land auf Ersatz des ihm anlässlich eines Unfallereignisses vom 08.07.2018 auf der Landstraße H. in Nähe der Gemeinde F. entstandenen materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch nimmt, zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Mit dem Erstgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Beklagte nicht aus Verletzung der ihm obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens einzustehen hat.
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine allgemeine Rechtspflicht, nicht nur der öffentlichen Hand, im Verkehr Rücksicht auf Rechtsgüter anderer zu nehmen und vor allem Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen. Sie beruht auf dem allgemeinen rechtlichen Gedanken, dass derjenige, der eine Gefährdungsquelle für die Rechtsgüter anderer schafft, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen hat. Verstößt er gegen diese Schutzpflicht, ist er wegen des daraus resultierenden deliktischen Verhaltens schadensersatzpflichtig.
Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind hierbei diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend zur Schadensverhinderung halten darf (grundlegend vgl. BGH MDR 1973, 252 ff.). Die Verkehrssicherungspflicht für den Straßenzustand umfasst die Verpflichtung, den Verkehr auf den Straßen, soweit dies mit zumutbaren Mitteln geschehen kann, möglichst gefahrlos zu gestalten, insbesondere die Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten, sich aus der Beschaffenheit der Straße ergebenden und nicht ohne Weiteres erkennbaren Gefahrenquellen zu schützen oder zumindest vor diesen zu warnen
In sachlicher Hinsicht bestimmen sich der Inhalt, der Umfang und die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht zum einen nach den berechtigten Sicherungserwartungen des Verkehrs (Vertrauensschutz, legitime Erwartungen des regulären Nutzers) und andererseits nach der wirtschaftlichen, finanziellen, organisatorischen und personellen Zumutbarkeit für den Sicherungsverpflichteten. Die Behörden müssen also mit Rücksicht auf die vielfältigen Aufgaben der öffentlichen Hand nur diejenigen Maßnahmen ergreifen, die objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind.
Als weiterer entscheidender Grundsatz im Bereich der Verkehrssicherungspflicht gilt, dass derjenige nicht schutzbedürftig ist, der die konkreten Gefahren erkennen kann (so auch ständige Senatsrechtsprechung, OLG Koblenz 12 U 513/03, Urteil vom 19.04.2004, juris; 12 U 692/14, Urteil vom 16.03.2015, juris).
Die Behörde hat daher regelmäßig keine weiteren Pflichten, wenn die Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Benutzung der Straße und Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit etwaige Schäden selbst abwenden können. Ausgehend von dem Leitbild des sorgfältigen Verkehrsteilnehmers, der sich vor den erkennbaren Gefahren schützen kann, muss sich der Straßenbenutzer den Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Festzuhalten ist somit, dass vor erkennbaren Gefahren grundsätzlich nicht gewarnt werden muss, ebensowenig besteht hier eine Beseitigungspflicht (OLG Koblenz 12 U 866/99, Urteil vom 10.07.2000, juris; OLG München 1 U 549/12, Urteil vom 24.05.2012, juris).
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßsta...