Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 12.04.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Koblenz vom 12. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere große Strafkammer - als Jugendkammer - des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Revision des Angeklagten richtet sich gegen das Urteil der 2. großen Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Koblenz vom 12. April 2010. Das Landgericht hat mit seiner angefochtenen Entscheidung auf die Berufung der Staatsanwaltschaft Koblenz das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - St. Goar vom 17. Dezember 2009, in welchem der Angeklagte vom Vorwurf des Diebstahls freigesprochen worden war, aufgehoben, ihn des Diebstahls schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Lahnstein vom 4. Dezember 2008 (2060 Js 41.478/08) und des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - St. Goar vom 17. Dezember 2009 (2060 Js 49.129/09) zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
II. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der zulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) erhobenen Verfahrensrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Der Angeklagte rügt zu Recht die Verletzung des § 244 Abs. 5 S. 1 StPO. Dem liegt zugrunde, dass der Verteidiger des seinerzeit Mitangeklagten F. in der Hauptverhandlung vom 13. April 2010 den folgenden Beweisantrag gestellt hatte:
"Zum Beweis der Tatsachen, dass
1. die ...[X]straße in ...[Y] lediglich mit gedämpftem Straßenlaternenlicht (sog. gelbem Licht) beleuchtet wird,
2. der Abstand zwischen der vor dem Haus ...[X]straße 21 in ...[Y] und der Straßenlaterne fünfzig Meter beträgt und letztgenannte während der Nachtstunden nicht eingeschaltet ist,
3. der Abstand zwischen der vor dem Hause ...[X]straße 21 in ...[Y] und dem in der Nacht vom 24.05.2009/25.05.2009 vor dem bebauten Hausgrundstück ...[X]straße 27 abgestellten Anhänger mehr als dreißig Meter beträgt,
4. die Zeugin E. die Angeklagten wegen der großen Entfernung und der unzureichenden Lichtverhältnisse nicht erkannt haben kann,
wird beantragt, die ...[X]straße in ...[Y] zwischen den Grundstücken ...[X]straße 21 und ...[X]straße 27 zur Nachtzeit in Augenschein zu nehmen."
Die Kammer lehnte es ab, dem Beweisantrag nachzugehen. Sie traf in der Hauptverhandlung vom 13. April 2010 den folgenden Beschluss:
"Der Antrag auf Augenscheinseinnahme wird gem. § 244 Abs. 5 S. 1 StPO abgelehnt, da der Augenschein nach dem pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nicht geboten ist zur Erforschung der Wahrheit. Die bisherige Beweisaufnahme insbesondere die Bekundungen der Tatzeugin E., des Ermittlungsbeamten B., des Geschädigten R., die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der Tatörtlichkeiten geben der Kammer ausreichend Anhaltspunkte, ohne Inaugenschein des Tatorts wobei die zur Tatzeit bestehende Situation nicht rekonstruierbar ist die Frage der Täterschaft zu beantworten."
1. Der Zulässigkeit der erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass der Angeklagte die fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags rügt, den nicht er selbst, sondern ein ehemals Mitangeklagter gestellt hat. Denn außer dem Antragsteller ist auch jeder Verfahrensbeteiligte zur Anfechtung berechtigt, der durch die einen Beweisantrag ablehnende Gerichtsentscheidung beschwert ist. Das sind auch diejenigen Prozessparteien, deren Interessen mit denjenigen des Antragstellers so erkennbar übereinstimmen, dass das Gericht auch ihnen gegenüber zur rechtlich einwandfreien Behandlung des Beweisantrags verpflichtet war. Daher bedarf es zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge auch nicht des Vortrags, dass sich der Angeklagte dem Beweisantrag seines Mitangeklagten angeschlossen habe (vgl. insgesamt BGH, Beschluss vom 24.07.1998, 3 StR 78/98). Die Interessen des Angeklagten und des ehemals Mitangeklagten stimmen hier überein. Beide sollen von der unmittelbaren Tatzeugin E. nachts bei der Ausführung der Tat gesehen und erkannt worden sein.
2. Auch wenn es die Sachaufklärungspflicht der Kammer nicht in jedem Fall geboten hätte, dem Beweisantrag nachzugehen, entspricht die konkrete Begründung, mit der die Kammer den gestellten Beweisantrag abgelehnt hat, nicht den Erfordernissen des § 244 Abs. 5 S. 1 StPO. Sie trägt daher die Ablehnung des Beweisantrags nicht. Ihrem Inhalt nach muss die Begründung nämlich den Standpunkt des Gerichts soweit erkennen lassen, dass der Beteiligte in der Lage ist, sein weiteres Verhalten danach einzurichten, und dass das Rechtsmittelgericht nachprüfen kann, ob der Tatrichter von zutreffenden verfahrensrechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Dabei genügt die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts in der Regel ebenso wenig wie formelhafte und allgemeine Wendungen (vgl. KG NStZ 2007, 480).
Ziel des Beweisantrags war es, die...