Leitsatz (amtlich)
1. Zur Pfändungsfreigrenze bei der Zwangsvollstreckung wegen Unterhalts.
2. Zu den anwaltlichen Pflichten bei der Zwangsvollstreckung wegen Unterhalts sowie zum Anwaltsregress bei diesbezüglichen Pflichtverletzungen.
3. Zur Vollstreckung von überjährigen Unterhaltsrückständen.
Normenkette
ZPO § 850d
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 83/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 08.06.2017 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht wird angewiesen, Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht zu versagen.
Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die 1997 geborene Antragstellerin begehrt Schadensersatz wegen Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag von den Beklagten. Diese erstritten für sie am 30.05.2012 einen Titel über Kindesunterhalt. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Lahnstein war der Schuldner verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.08.2010 bis 31.07.2011 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 4.524,00 EUR zu zahlen sowie ab dem 01.08.2011 laufenden Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 377,00 EUR. Am 14.07.2012 erwirkten die Antragsgegner für die Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich des Arbeitseinkommens des Schuldners. Mit Schreiben vom 17.07.2012 wies der Antragsgegner zu 3) darauf hin, dass die Vollstreckung wahrscheinlich ohne Erfolg bleibt. Der Drittschuldner habe mitgeteilt, dass der Schuldner ein Nettoeinkommen von ca. 2 100 EUR habe, 2 unterhaltspflichtige Personen vorhanden seien (eine weitere Tochter, geb. am ...06.2011 sowie die Ehefrau des Schuldners) und Vorpfändungen in Höhe von 60.000 EUR vorlägen. Am 22.10.2012 hatte die Gläubigerin Prozesskostenhilfe "zur Eruierung der möglichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen" beantragt. Ob hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, hat die Antragstellerin nicht mitgeteilt. Weiteres haben die Antragsgegner zur Durchsetzung der Forderung nicht unternommen.
Im März 2015 hat die Antragstellerin ihren heutigen Prozessbevollmächtigten mit der Vollstreckung des titulierten Unterhalts beauftragt. Hierauf konnten Beträge in der Zeit vom 07.08.2015 bis 08.12.2015 von insgesamt 3.388,91 EUR und im April 2016 696.56 EUR vollstreckt werden. Ab Mai 2016 konnte nur noch der laufende Unterhalt vollstreckt werden, weil der Schuldner Insolvenz angemeldet hatte (zunächst war mehr vollstreckt worden; die monatlich 377 EUR übersteigenden Beträge mussten an die Insolvenzverwalterin ausgekehrt werden).
Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 21.482,08 EUR sowie Erstattung einer Gebührenforderung ihres Prozessbevollmächtigten gegen sie in Höhe von 1.100,51 EUR in Anspruch zu nehmen und beantragt, ihr hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Schuldner habe immer bei derselben Firma gearbeitet und durchgehend mindestens 2.100 EUR netto verdient. Sie berechnet ihren Schaden wie folgt: Von den beigetriebenen 3.388,91 EUR seien zunächst die Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 35,90 EUR und die Gebühren des Rechtsanwalts von 330,09 EUR und der jeweils für den Monat laufende Unterhalt abzuziehen (5 × 377 EUR) sodass ein Betrag von insgesamt 1.137,92 EUR verbleibt, der auf den rückständigen Unterhalt bis Juli 2011 verrechnet worden sei, sodass insoweit 3.386,08 EUR verbleiben. Von den im April 2016 beigetriebenen Betrag von 696,56 EUR entfielen 377 EUR auf den laufenden Unterhalt für April. 319,56 EUR seien auf den Unterhalt für Januar 2016 verrechnet worden.
Zu dem noch offenen Betrag von 3.386,08 EUR kämen für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.07.2015 insgesamt 18.096,00 EUR (48 × 377 EUR) hinzu, wodurch sich die Klageforderung von 21.482,08 EUR errechne.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 08.06.2017, der am 26.06.2017 zugestellt worden ist, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Forderung sei nicht schlüssig dargelegt. Zur Schlüssigkeit gehöre die Darlegung, in welchem Zeitraum welche Beträge hätten durch die Zwangsvollstreckung beigetrieben werden können. Mit am 24.07.2017 beim Landgericht eingegangener sofortiger Beschwerde rügt die Antragstellerin, bei dem Einkommen des Schuldners und einer vorrangingen Unterhaltspflicht für 2 Kinder hätten zugunsten der Antragstellerin Beträge zwischen 600 und 700 EUR monatlich gepfändet werden können. Die rückständigen Forderungen wären spätestens Ende 2013 ausgeglichen gewesen. Gleichzeitig legt die Beschwerdeführerin einen Auszug des Girokontos des Schuldners vor, aus dem sich ergibt, dass der Schuldner im Dezember 2013 2.191,96 EUR als Gehalt ausgezahlt erhielt.
Die Kammer hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Schaden sei immer noch nicht nachvollziehbar berechnet. Es hätte genau aufgezeigt werden müssen, welcher Betrag in jedem Monat unter Berücksichtigung gleichrangiger privilegie...