Leitsatz (amtlich)
Kein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter, wenn der Geschäftsverteilungsplan des LG vorsieht, dass versehentlich unzuständiger Kammer zugeteilte Sache nach Terminsbestimmung oder Anordnung schriftlichen Vorverfahrens nicht mehr abgegeben werden kann, sofern keine Anhaltspunkte für willkürliche Sachbehandlung bestehen (hier: Versicherungsvertragssache versehentlich als Verkehrsunfallsache zugeteilt).
Verhältnis von § 90 zu § 83 VVG. Maßgeblichkeit des Verschuldensgrads auch für Aufwendungsersatzanspruch.
Verzicht auf Einwand grober Fahrlässigkeit in AVB für Herbeiführung des "Schadenfalls" beschränkt sich nicht auf die Herbeiführung des "Versicherungsfalls", sondern bezieht auch Rettungshandlung/Aufwendungsersatz ein.
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 03.02.2010; Aktenzeichen 4 O 241/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 3.2.2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.443,93 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.840 EUR seit dem 9.2.2009 sowie aus 603,93 EUR seit dem 3.8.2009 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Kraftfahrzeugversicherungsvertrag.
Die Klägerin unterhielt ab dem 1.1.2009 bei der Beklagten eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit eingeschlossenem Teilkaskoversicherungsschutz bei einer Selbstbeteiligung von 150 EUR unter Einbeziehung der AKB 2008 (Versicherungsschein vom 17.12.2008, Anlage K 1).
Die Klägerin meldete der Beklagten, dass sie am 17.1.2009 zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr auf der L ... aus Richtung ... [X] kommend in Richtung ... [Y] wegen eines von links unmittelbar vor das Fahrzeug laufenden Fuchses stark abgebremst habe, bei einem Ausweichversuch zunächst mit dem Fuchs zusammengestoßen, dann nach links von der Fahrbahn abgekommen und dort gegen die steil ansteigende Fahrbahnbefestigung und Straßenböschung gestoßen sei. Die Klägerin holte ein Gutachten des Kfz-Sachverständigen ... [A] vom 26.1.2009 ein (Anlage K 3), das einen Totalschaden des klägerischen Fahrzeugs feststellte und den Fahrzeugschaden auf 6.990 EUR bezifferte. Diesen Betrag abzgl. der vereinbarten Selbstbeteiligung, somit 6.840 EUR, begehrt die Klägerin von der Beklagten.
Mit Schreiben vom 9.2.2009 (Anlage K 4) lehnte die Beklagte Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ab, da eine Wildberührung nicht bewiesen sei und auch kein Anspruch als sog. Rettungskostenersatz bestehe, da ein Fuchs als Kleintier nicht zu einem Ausweichen berechtige.
Die Klägerin forderte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.2.2009 (Anlage K 5) die Beklagte erfolglos zur Zahlung auf.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Ersatz ihres Fahrzeugschadens sowie die Erstattung der ihr vorgerichtlich zur Verfolgung ihres Anspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe am 17.1.2009 in Begleitung des Zeugen ... [B] zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr mit ihrem Pkw die L 148 mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h befahren. In einer Rechtskurve sei plötzlich von rechts ein Fuchs aus dem dort befindlichen Gebüsch bis zur Mitte ihrer Fahrbahn gelaufen. Dieser habe sich umgedreht und sei anschließend wieder in das Gebüsch zurückgelaufen. Um dem Fuchs auszuweichen und einen Wildunfall zu vermeiden, sei sie auf die linke Fahrbahn gefahren und danach gegen die neben der linken Fahrbahnseite befindliche steil ansteigende Fahrbahnbefestigung und den dortigen Böschungsbereich gestoßen. Trotz des Ausweichmanövers sei es noch zu einer Kollision mit dem Fuchs gekommen, was durch ein an der Stoßstange sichergestelltes Tierhaar belegt werde.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.840 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.2.2009 zu zahlen,
2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 603,93 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten und vorgetragen, das Ausweichen bei kleinen Tieren wie einem Fuchs sei grob fahrlässig, ein Aufwendungsersatzanspruch daher nicht gegeben.
Im Übrigen hat die Beklagte gerügt, dass nach dem Geschäftsverteilungsplan des LG Trier nicht die 4. Zivilkammer, sondern die 6. Zivilkammer für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig sei.
Das LG hat nach Vernehmung des Zeugen ... [B] und Anhörung der Klägerin die Beklagte zur Za...