Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt durch Strafgefangene
Leitsatz (amtlich)
Ein in Strafhaft befindlicher Unterhaltspflichtiger kann sich auf seine Leistungsunfähigkeit nach Treu und Glauben dann nicht berufen, wenn ein unterhaltsrechtlicher Bezug zwischen der Straftat und der Leistungsunfähigkeit besteht.
Verfahrensgang
AG Lahnstein (Beschluss vom 26.11.2003; Aktenzeichen 5 F 459/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG - FamG - Lahnstein vom 26.11.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Klagebegehren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 114 ZPO).
Ein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt gem. § 1603 BGB besteht vorliegend nicht, weil die Antragsgegnerin infolge ihrer Inhaftierung keine Möglichkeit hat, einer normalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, und sie auch nicht über sonstige Einkünfte (wie aus Vermietung oder Verpachtung pp.) oder verwertbares Vermögen verfügt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin ein Arbeitsentgelt aus der Wahrnehmung einer in der Haftanstalt angebotenen Beschäftigungsmöglichkeit erzielt. Diese geringen Bezüge von rund 140 Euro monatlich stehen der Antragsgegenerin insoweit nicht zur Verfügung, als es sich um Überbrückungsgeld nach § 51 des Strafvollzugsgesetzes handelt, welches anteilig vom Arbeitsentgelt angespart wird und den Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin in den ersten Wochen nach ihrer Entlassung sichern soll. Über dieses Geld kann die Antragsgegnerin bis zu ihrer Entlassung auch nicht frei verfügen. Das im Übrigen an sie zur Auszahlung gekommene Hausgeld (§§ 47, 22 StVollzG) i.H.v. rund 70 Euro monatlich ist ihrem notwendigen Selbstbehalt zuzurechnen, weil es dazu dient, die notwendigen Ausgaben des täglichen Lebens, soweit sie nicht durch die Haftanstalt gedeckt werden, zu bestreiten; hierzu gehören etwa Körperpflegemittel, Postgebühren etc. (vgl. zum Ganzen Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 758 f.; BGH v. 21.4.1982 - IVb ZR 696/80, MDR 1982, 1003 = FamRZ 1982, 792 f.; OLG Koblenz FamRZ 1998, 44).
Entscheidend ist mithin vorliegend, ob sich die Antragsgegnerin ggü. ihrem unterhaltsberechtigten Kind auf ihre Leistungsunfähigkeit infolge Strafhaft berufen kann oder ihr dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt ist. In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit allgemein anerkannt, dass die Situation eines Unterhaltspflichtigen bei zwar selbst verschuldetem, aber doch ungewolltem Arbeitsplatzverlust durch Strafhaft nicht mit der Situation desjenigen vergleichbar ist, der seinen Arbeitsplatz in Freiheit freiwillig aufgibt und deshalb so zu behandeln ist, als erziele er weiterhin Einkommen. Gerade Letzteres ist dem nicht in Freiheit lebenden Unterhaltspflichtigen nämlich nicht möglich. Die unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit der Leistungsunfähigkeit infolge Strafhaft mit der Folge, dass der Inhaftierte trotz fehlender Arbeitsmöglichkeit unterhaltspflichtig bleibt, ist deshalb auf schwerwiegende Fälle zu beschränken. Danach ist ein Berufen auf die Leistungsunfähigkeit nach Treu und Glauben zu versagen, wenn sich der Unterhaltspflichtige durch die Straftat seiner Unterhaltspflicht entziehen wollte oder jedenfalls ein unterhaltsrechtlicher Bezug zwischen seinem Fehlverhalten und der Unterhaltspflicht besteht (vgl. zum Ganzen Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 668 f.; OLG Koblenz FamRZ 1998, 44; BGH v. 21.4.1982 - IVb ZR 696/80, MDR 1982, 1003 = FamRZ 1982, 792 f.).
Letzteres ist hier entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu bejahen. Ein Unterhaltsbezug ist nämlich nicht schon dann vorhanden, wenn die Straftat für den Verlust der Leistungsfähigkeit deshalb kausal geworden ist, weil sie letztlich zur Inhaftierung geführt hat; Letzteres ist nämlich bei schweren Straftaten immer der Fall. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die der Tat zugrunde liegenden Antriebe und Vorstellungen auch auf die Verminderung oder den Wegfall der Leistungsfähigkeit als Folge des Verhaltens erstreckt haben; davon kann bei den hier begangenen Verstößen der Antragsgegnerin gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht ausgegangen werden. Da sich die Taten der Antragsgegnerin auch nicht gegen das unterhaltsberechtigte Kind oder dessen weitere Angehörigen gerichtet haben, ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, sich auf ihre Leistungsunfähigkeit zu berufen. Die Antragsgegnerin ist allerdings gehalten, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit sie unmittelbar nach ihrer Entlassung aus der Strafhaft durch Erwerbstätigkeit zu Unterhaltszahlungen für ihr Kind in der Lage ist.
Über die Beschwerde war nach alledem im tenorierten Si...