Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bindungswirkung des § 158 Abs. 1 GVG hervorzurufen, muss ein Rechtshilfeersuchen nach § 375 ZPO vorliegen welches auch tatsächlich ausführbar ist. An letzterem fehlt es, wenn um Vernehmung eines Zeugen ohne hinreichende Angabe des Beweisthemas ersucht wird.

2. Wie bei der Frage zur Bindungswirkung des § 281 ZPO muss auch für ein Rechtshilfeersuchen gelten, dass keine Bindungswirkung nach § 158 Abs. 1 GVG herbeigeführt wird, wenn das Rechtshilfeersuchen willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist.

 

Normenkette

GVG §§ 158-159; ZPO § 375

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 12.12.2005; Aktenzeichen 1 O 478/04)

AG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 AR 8/07)

 

Tenor

Das Rechtshilfeersuchen des Einzelrichters bei dem LG Darmstadt im Verfahren 1 O 478/04 vom 28.6.2006 an das AG Bad Kreuznach, den Zeugen K entsprechend dem Beweisbeschluss des LG Darmstadt vom 12.12.2005 zu vernehmen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Restwerklohn, wobei u.a. um die Frage gestritten wird, ob das Bauvorhaben Mängelbehaftet ist und ob ungeachtet dessen eine Abnahme erfolgte.

Das örtlich und sachlich zuständige LG Darmstadt hat am 12.12.2005 einen Beweisbeschluss verkündet, wonach über die Behauptung der Klägerin "der Beklagte habe am 29.10.2003 die klägerischen Arbeiten an dem Bauvorhaben Zum B in Rüsselheim trotz der im Rohbauabnahmeprotokoll vom gleichen Datum aufgelisteten Mängel tatsächlich abgenommen. Im Übrigen habe die Klägerin in der Folgezeit die dort aufgeführten Mängel sachgerecht beseitigt", durch Vernehmung von zwei Zeugen Beweis erhoben werden soll. Zugleich wurde angeordnet, dass die Vernehmung jeweils durch den ersuchten Richter erfolgen solle. Nachdem beide Parteien auf einen zeugen verzichtet haben, verblieb allein die Vernehmung des allein Streitentscheidenden Zeugen K.

Dementsprechend hat das LG Darmstadt mit Verfügung vom 28.6.2006 die zuständige Richterin beim AG Bad Kreuznach ersucht, den etwa 12 km vom Sitz des AG entfernt wohnenden Zeugen Hasan K zu vernehmen.

Das AG hat den Zeugen zunächst für den 28.8.2006 und nach einem Terminsverlegungsantrag des Beklagtenvertreters auf den 10.11.2006 geladen. Nachdem der Zeuge ohne Begründung und Entschuldigung nicht erschienen ist, hat das AG die Akte unerledigt an das LG Darmstadt mit dem Hinweis zurückgesandt, dass die Voraussetzungen des § 375 ZPO nicht vorliegen.

Das LG Darmstadt hat die Akten dem ersuchten Gericht mit Beschluss vom 15.1.2007 dann erneut mit der Bitte vorgelegt, den Zeugen zu vernehmen. Zu den Voraussetzungen des § 375 ZPO hat es ausgeführt, dass es dem Zeugen nicht zumutbar sei, die deutlich längere Strecke von 75 km bis zum LG Darmstadt zurückzulegen.

Das AG Bad Kreuznach hat die Akten dann über den Präsidenten des LG Darmstadt dem zuständigen Einzelrichter bei dem AG Darmstadt zurückgesandt und eine Vernehmung des Zeugen abgelehnt. Das Rechtshilfeersuchen sei willkürlich, da die Voraussetzungen des § 375 ZPO nicht vorliegen. Der zuständige Einzelrichter beim LG Darmstadt wolle sich lediglich der Mühe einer umfangreichen Beweisaufnahme entziehen. Das Beweisthema sei auch nicht hinreichend konkretisiert.

Der zuständige Einzelrichter bei dem LG Darmstadt hat die Akten mit Beschluss vom 5.2.2007 dem OLG Koblenz, hier eingegangen am 7.3.2007, gem. § 159 GVG zur Entscheidung vorgelegt. Dabei hat es ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Anreise des Zeugen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Darmstadt rund 2-2 ½ Stunden in Anspruch nehme, während er von seinem Wohnort zum AG Bad Kreuznach lediglich 22 Minuten benötige.

II. Das Rechtshilfeersuchen war zurückzuweisen, da dieses in der jetzigen Form undurchführbar ist und darüber hinaus willkürlich und rechtsmissbräuchlich erscheint.

Einem Rechtshilfeersuchen nach § 375 ZPO ist grundsätzlich Folge zu leisten. Nach § 158 Abs. 1 GVG darf dieses nicht abgelehnt werden. Eine Ausnahme gilt nach § 158 Abs. 2 GVG nur für den Fall, dass das Ersuchen von einem nicht vorgesetzten Gericht ausgeht und eine Handlung betrifft, die dem für das ersuchte Gericht maßgebenden Recht verboten ist. Eine solches gesetzliches Verbot liegt zwar nicht vor. Allerdings haben sich in der Rechtsprechung Kategorien herausgebildet, die eine Zurückweisung des Rechtshilfegesuches gleichwohl erlauben.

1. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für die Bindungswirkung des § 158 Abs. 1 GVG hervorzurufen, ein Rechtshilfeersuchen vorliegen muss, welches auch tatsächlich ausführbar ist (OLG Koblenz NJW 1975, 1036; OLG Köln OLGZ 66, 40; OLG Düsseldorf OLGZ 68, 57; OLG Frankfurt v. 1.11.1994 - 20 W 510/94, OLGReport Frankfurt 1995, 59 = MDR 1995, 1216 = NJW-RR 1995, 637).

An letzterem fehlt es, wenn um Vernehmung eines Zeugen ohne hinreichende Angabe des Beweisthemas ersucht wird. Aufgrund der beachtlichen Regelung in § 158 Abs. 2 GVG ist ein Rechtshilfeersuchen nicht schon dann als unzulässig anzusehen, wenn der vom Prozessgericht erlassene Beweisbeschluss verfahrensrechtlich z...

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