Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen eines Rechtshilfeersuchens
Normenkette
GVG §§ 158-159
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.12.2006; Aktenzeichen 31 C 984/06-83) |
AG Alzey (Aktenzeichen 24 AR 3/08) |
Tenor
Das Rechtshilfeersuchen des Richters bei dem AG Frankfurt am Main im Verfahren 31 C 984/06-83 vom 11.3.2008 an das AG Alzey, die Zeugen ... und ... entsprechend dem Beweisbeschluss des Amtsgerichtes Frankfurt am Main vom 7.12.2006 zu vernehmen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 20.1.2005.
Das örtlich und sachlich zuständige AG Frankfurt hat am 7.12.2006 einen Beweisbeschluss verkündet, wonach über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zum Unfallhergang durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Vernehmung von insgesamt fünf Zeugen Beweis erhoben werden sollte. Das Gericht der Hauptsache hat dabei die Notwendigkeit gesehen, in den Beschluss den Hinweis aufzunehmen: "Im Hinblick auf die erheblichen Differenzen bei den Unfallschilderungen sieht sich das Gericht veranlasst, auf die prozessuale Wahrheitspflicht und die zu erwartenden Konsequenzen von Verstößen gegen diese hinzuweisen." Zugleich wurde in dem Beweisbeschluss angeordnet, dass die Zeugin ..., die Ehefrau des Klägers, und die Zeugin ... durch das AG Alzey als Wohnsitzgericht der Zeugen vernommen werden sollen.
Dementsprechend hat das AG Frankfurt am Main mit Verfügung vom 11.3.2008 den zuständigen Richter beim AG Alzey ersucht, die beiden Zeuginnen zu vernehmen.
Das AG Alzey hat die Akten zunächst unerledigt zurückgesandt und darauf hingewiesen, dass die Zeuginnen nur unweit vom Hauptsachegericht entfernt wohnten und es deshalb zweckmäßiger erscheine, wenn sie dort vernommen würden.
Das AG Frankfurt am Main hat die Akten dann unter dem 31.3.2008 erneut dem AG Alzey übersandt und dabei ausgeführt, dass die Zeuginnen keineswegs unweit von dem ersuchenden Gericht wohnten. Darauf hat das AG Alzey das Ersuchen am 7.4.2008 abgelehnt und dies damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 375 ZPO nicht vorlägen und das Rechtshilfeersuchen willkürlich sei.
Der zuständige Richter bei dem AG Frankfurt am Main hat die Akten mit Beschluss vom 11.4.2008 dem OLG Koblenz, hier eingegangen am 17.4.2008, gem. § 159 GVG zur Entscheidung vorgelegt. Eine nähere Begründung für das Rechtshilfeersuchen oder eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des AG Alzey ist dem Vorlagebeschluss nicht zu entnehmen.
II. Das Rechtshilfeersuchen war zurückzuweisen, da es in der jetzigen Form willkürlich und rechtsmissbräuchlich erscheint.
Einem Rechtshilfeersuchen nach § 375 ZPO ist grundsätzlich Folge zu leisten. Nach § 158 Abs. 1 GVG darf dieses nicht abgelehnt werden. Eine Ausnahme gilt nach § 158 Abs. 2 GVG nur für den Fall, dass das Ersuchen von einem nicht vorgesetzten Gericht ausgeht und eine Handlung betrifft, die dem für das ersuchte Gericht maßgebenden Recht verboten ist.
Ein solches gesetzliches Verbot liegt zwar nicht vor. Allerdings haben sich in der Rechtsprechung Kategorien herausgebildet, die eine Zurückweisung des Rechtshilfegesuches gleichwohl erlauben. So ist anerkannt, dass das Ersuchen trotz § 158 Abs. 1 GVG anfechtbar ist, wenn die Beweisaufnahme mangels hinreichend konkretisiertem Beweisthema undurchführbar ist (Zöller/Gummer, ZPO/GVG, 26. Aufl., § 158 GVG, Rz. 1 m.w.N.).
Wie bei der Frage zur Bindungswirkung des § 281 ZPO muss auch für ein Rechtshilfeersuchen gelten, dass keine Bindungswirkung nach § 158 Abs. 1 GVG herbeigeführt wird, wenn das Rechtshilfeersuchen willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist (OLG Köln FamRZ 2004, 818; OLG Stuttgart BWNotZ 2007, 39; OLG Schleswig FamRZ 1995, 1596 = MDR 1995, 607; OLG Jena MDR 2000, 1095 = OLGR 2000, 256; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 1030; Senat v. 15.3.2007 - 4 SmA 16/07 = OLGR 2007, 592 = BauR 2007, 934; MünchKomm-ZPO/GVG, Zimmermann, § 158 GVG Rz. 9; B/L/A/H, ZPO. 66. Aufl. 2008, § 158 GVG Rz. 7). Eine willkürliche Entscheidung ist i.S.d. § 158 Abs. 2 GVG verboten.
Eine willkürliche Übertragung der Beweisaufnahme auf das ersuchende Gericht liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der ersuchende Richter in seinem Gesuch oder auf die Gegenvorstellung des ersuchten Richters nicht zumindest mit den tragenden Voraussetzungen und den Ausschlussgründen für eine Beauftragung eines ersuchten Richters auseinandersetzt, es sei denn, die Zulässigkeit des Rechtshilfegesuches liegt auf der Hand (OLG Koblenz v. 15.3.2007 - 4 SmA 16/07 = OLGR 2007, 592 = BauR 2007, 934). Dies muss erst Recht gelten, wenn der ersuchte Richter hier Bedenken schriftlich fixiert hat.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit nach § 355 ZPO gebietet es, dass die Vernehmung von Zeugen nur in Ausnahmefällen einem kommissarischen Richter überlassen wird. Eine solche Ausnahme kommt nur immer dann in Betracht, wenn auf jeden Fall ein unmittelbarer Eindruck vom Verlauf de...