Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kürzung der Sachverständigenvergütung für Aktenlektüre bei Plausibilität der berechneten Stundenzahl
Leitsatz (amtlich)
Bei der Vergütungsfestsetzung sind Zeitangaben des Sachverständigen nicht durch kleinliche Gegenrechnungen in Frage zu stellen. Korrekturbedarf besteht nur dann, wenn der berechnete Zeitaufwand ungewöhnlich hoch erscheint und greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er außer jedem Verhältnis zu der tatsächlich erforderlichen Leistung steht. Dass ein Sachverständiger in der Lage sein müsse, 100 bis 120 Seiten Gerichtsakten innerhalb einer Stunde zu lesen und in seiner Bedeutung für die Beweisfragen zu erfassen, erscheint überzogen.
Normenkette
JVEG §§ 4, 8; BGB § 611
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 11.02.2011; Aktenzeichen 3 O 14/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen M. K. wird dessen Vergütung für die unter dem 30.10.2010 in Rechnung gestellten Leistungen in Änderung des Beschlusses der 3. Zivilkammer des LG Mainz vom 11.2.2011 auf 1.215,23 EUR festgesetzt.
Gerichtliche Gebühren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
Das Rechtsmittel ist zulässig, weil das LG entsprechend entschieden hat (§ 4 Abs. 3 Halbs. 2 JVEG). Die Entscheidung bindet den Senat (§ 4 Abs. 4 Satz 4 JVEG), auch wenn sich die vom LG zu ihrer Begründung angeführte grundsätzliche Bedeutung nicht erschließt, weil der angefochtene Beschluss von auf den Einzelfall bezogenen Erwägungen getragen wird.
In der Sache hat der Beschwerdeführer Erfolg. Das von ihm geltend gemachte Honorar ist auf der Grundlage eines Zeitaufwands von 8 Stunden statt des vom LG angesetzten Aufwands von 6 Stunden und damit um 150 EUR nebst Mehrwertsteuer höher zu bemessen, als dies bisher geschehen ist. Das rechtfertigt sich aus den Angaben des Sachverständigen, die plausibel sind.
Allerdings hängt die Vergütung eines Sachverständigen nicht von dem Zeitaufwand ab, der tatsächlich zur Erfüllung des ihm erteilten Gutachterauftrags benötigt wurde, sondern wird gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG durch die Zeit bestimmt, die objektiv erforderlich war. Grundsätzlich muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es hier zu keinen beachtlichen Divergenzen kommt (Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Aufl., § 8 Rz. 49). Die Gerichte sind deshalb regelmäßig nicht veranlasst, Zeitangaben von Sachverständigen durch ins Einzelne gehende Gegenrechnungen in Frage zu stellen (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 8 JVEG Rz. 23). Korrekturbedarf ist nur dort vorhanden, wo der berechnete Zeitaufwand ungewöhnlich hoch erscheint und greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er außer jedem Verhältnis zu der tatsächlich erbrachten Leistung steht (KG JurBüro 184, 1066; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 43; OLG Zweibrücken JurBüro 1988, 116).
Davon kann hier keine Rede sein. Die Kürzung, die das LG gemeint hat vornehmen zu müssen, ist relativ gering. Sie drängt sich zudem nicht auf, weil die Vorgabe, der Sachverständige habe beim Studium der Akten in einer Stunde die Lektüre von 100 bis 120 Seiten bewältigen müssen, sehr anspruchsvoll erscheint. Die Erwägungen, die der Sachverständige für seinen abweichenden Standpunkt vorgetragen hat, können nicht vernachlässigt werden.
Der Kostenausspruch beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Fundstellen
Haufe-Index 2902787 |
BauR 2012, 1151 |
JurBüro 2012, 261 |
GuG 2012, 318 |
GuG 2012, 32 |