Leitsatz (amtlich)
Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren kann dem Berufungsbeklagten im Regelfall nicht bewilligt werden, wenn das Berufungsgericht den Parteien mitteilt, dass es beabsichtigt, die Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und es deshalb der Einreichung einer Berufungserwiderung derzeit nicht bedarf; unter diesen Voraussetzungen ist - nach der Änderung des § 522 Abs. 3 ZPO - eine Rechtsverteidigung erkennbar noch nicht notwendig (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 28.4.2010 - XII ZB 180/06).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 111/15) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag der Beklagten, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Rückzahlung vermeintlich gewährter Darlehen in Höhe von insgesamt 19.920 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung, die sie mit Schriftsatz vom 2.5.2016 begründet hat, hat die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Der Senat hat die Parteien durch Beschluss vom 18.5.2016 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Weiter ist in der Beschlussformel ausgeführt: "Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den nachstehenden Hinweisen bis zum 13.6.2016. Der Einreichung einer Berufungserwiderung bedarf es derzeit nicht.". Der Beschluss ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23.5.2016 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage hat dieser sich für die Beklagte bestellt und beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie der Beklagten Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen; des Weiteren hat die Beklagte unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats in der Sache Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 13.6.2016 hat die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen.
II.1. Der Antrag der Beklagten, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist abzulehnen. Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren kann dem Berufungsbeklagten im Regelfall nicht bewilligt werden, wenn das Berufungsgericht den Parteien mitteilt, dass es beabsichtigt, die Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und es deshalb der Einreichung einer Berufungserwiderung derzeit nicht bedarf; unter diesen Voraussetzungen ist in diesem Verfahrensstadium eine Rechtsverteidigung erkennbar noch nicht notwendig.
So liegt der Fall hier.
a) Zwar ist nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner (hier: die Klägerin) das Rechtsmittel eingelegt hat. Es ist aber anerkannt, dass Prozesskostenhilfe nur in Anspruch genommen werden kann, soweit es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist. Einer Partei, die auf Kosten der Allgemeinheit prozessiert, muss zugemutet werden, zulässige Maßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn diese im Einzelfall wirklich notwendig werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28.4.2010 - XII ZB 180/06, FamRZ 2010, 1147 Rdnr. 8; diese und die folgenden Entscheidungen jeweils zitiert nach juris; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 119 Rdnr. 55; BeckOK ZPO/Reichling, ZPO § 119 Rdnr. 31, 31.1). Eine unbemittelte Partei muss auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Denn das Gebot weitgehender Angleichung der Lage von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verlangt keinen sinnlosen Einsatz staatlicher Ressourcen. Daher ist stets zu prüfen, ob eine bemittelte Partei bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko ihre Rechte in einer bestimmten Art und Weise wahrgenommen hätte (BGH, aaO, Rdnr. 15 m. w. Nachw.). Deshalb gebietet es auch die Regelung des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht, dem Rechtsmittelbeklagten Prozesskostenhilfe bereits zu einer Zeit zu gewähren, in der dies zur Wahrung seiner Rechte noch nicht notwendig ist (vgl. BGH, aaO, Rdnr. 16 m. w. Nachw.).
b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof zu § 522 Abs. 2 ZPO in der bis zum 26.10.2011 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entschieden, dass dem Berufungsbeklagten nach Eingang der Rechtsmittelbegründung Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden kann, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO a.F.) stehe noch aus (BGH, Beschluss vom 28.4.2010, aaO). Dies gelte unabhängig davon, ob schon eine Erwiderungsfrist gesetzt worden sei oder nicht. Denn anderenfalls werde dem be...