Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückführung eines Kindes in die USA; Erledigung des gerichtlichen Verfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rückführung eines entführten Kindes in den Herkunftsstaat während des Rechtsmittelverfahrens hat die Unzulässigkeit der Beschwerde zur Folge.

2. Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rückführungsanordnung kommt nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Beschluss vom 10.10.2003; Aktenzeichen 20 F 359/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG – FamG – Koblenz vom 10.10.2003 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Das am 11.3.1999 geborene Kind … ist das gemeinsame Kind der miteinander verheirateten Parteien. Es besitzt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Bis zum 25.2.2003 lebte es in …/USA bei seinen Eltern. Am 25.2.2003 verließ die Antragsgegnerin mit dem Kind die USA und brachte es ohne Wissen des Antragstellers nach Deutschland. Dieser war und ist mit dem Verbleib des Kindes in Deutschland nicht einverstanden.

Das Sorgerecht steht den Parteien gemeinsam zu. Das LG A. stellte durch Verfügung vom 23.9.2003 fest, dass das Kind von der Mutter in widerrechtlicher Weise außerhalb des Bundesstaates A. verbracht wurde. Zum weiteren Inhalt der Widerrechtlichkeitsbescheinigung wird auf Bl. 125, 126 d. GA Bezug genommen.

Durch den angefochtenen Beschluss ordnete das AG die Herausgabe des Kindes und sofortige Rückführung in die USA unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit an. Begründet hat das AG die Entscheidung mit der Widerrechtlichkeit der Verbringung des Kindes nach Deutschland. Ausdrücklich hat das AG festgestellt, dass keine Ausnahmen von der Verpflichtung zur sofortigen Rückführung nach Art. 1.3 HKÜ bestünden. Insbesondere habe die Antragsgegnerin keine ihrer Behauptungen nachgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 15.10.2003, mit der sie die Abänderung des Beschlusses des AG Koblenz und die Abweisung des Antrags auf Herausgabe des Kindes begehrt.

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung hat der Senat durch Beschluss vom 16.10.2003 zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Beschwerde keinerlei Aussicht auf Erfolg habe. Die Ausführungen des AG seien nicht zu beanstanden.

Das Kind ist zwischenzeitlich aufgrund der erstinstanzlichen Anordnung zurück in die USA und zu seinem Vater gebracht worden. Auch die Antragsgegnerin befindet sich zur Durchführung des Sorgerechtsverfahrens wieder in den USA.

Die Antragsgegnerin begehrt die Abänderung des Beschlusses des AG Koblenz und die Abweisung des Antrages auf Herausgabe des Kindes, hilfsweise die Feststellung, dass durch die Entscheidung erster Instanz der Antrag auf Rückführung des Kindes zurückzuweisen gewesen wäre. Der Antragsteller beantragt die Verwerfung als unzulässig.

II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, nachdem die Hauptsache erledigt ist. Das Kind ist in Vollziehung der angefochtenen Entscheidung zwischenzeitlich in die USA zurückgeführt worden.

Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass dann, wenn das erledigende Ereignis in der Rechtsmittelinstanz nach Einlegung der Beschwerde eintritt, das Rechtsmittel von diesem Zeitpunkt an wegen Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses zur Hauptsache unzulässig wird, weil die Entscheidung der Vorinstanz durch die Erledigung wirkungslos geworden ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94 m.w.N.). Eine Entscheidung in der Sache ergeht nicht mehr, die sofortige Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

Das verfassungsrechtliche Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, steht dem nicht entgegen. Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtschutzbedürfnis voraussetzt. Dieses ist zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht, dass die Gerichte generell auch dann noch weiter in Anspruch genommen werden können, um Auskunft über die Rechtslage zu erhalten, wenn damit aktuell nichts mehr bewirkt werden kann (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 f.).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze kommt eine Entscheidung in der Sache vorliegend nicht mehr in Betracht. Durch den Vollzug der Herausgabeanordnung ist der Verfahrensgegenstand erledigt. Eine Rückführung des Kindes nach Deutschland käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die amtsgerichtliche Entscheidung zu Unrecht ergangen wäre. Anhaltspunkte dafür bestehen allerdings nicht, worauf der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 16.10. hingewiesen hat.

Das Rechtsschutzinteresse der Antragsgegnerin lässt sich auch nich...

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