Leitsatz (amtlich)
Im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren ist es zulässig, die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil antizipierend im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten.
Bietet die Rechtsverteidigung unter Würdigung aller bereits feststehenden Umstände nur eingeschränkt Aussicht auf Erfolg, kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beschränkt werden.
Normenkette
ZPO §§ 114, 186; BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1-2; StGB §§ 229-230
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 23.08.2013; Aktenzeichen 2 O 126/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Bad Kreuznach vom 23.8.2013 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen eine Klage, mit der der Kläger von ihm die Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. mindestens 40.000 EUR nebst Zinsen wegen einer an ihm begangenen fahrlässigen Körperverletzungen verlangt hat.
Der Beklagte ist durch Urteil des AG - Jugendrichter - Kaiserslautern vom 18.5.2012 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden.
Dem lagen folgende Feststellungen zugrunde:
Am 12.8.2011 hielt sich der damals 10-jährige Kläger bei einem Freund auf, mit dem er draußen auf Terrasse am Tisch saß und Zinn goss. Hierzu hatte der Vater des Freundes einen mit Spiritus betriebenen Brenner in Betrieb gesetzt, mit dem der Kläger und sein Freund das Zinn schmolzen. Der Beklagte begab sich zu dem Tisch hinzu. Nachdem die Flamme des Brenners kleiner geworden war, bat der Freund des Klägers den Beklagten, Spiritus nachzugießen. Dem Wunsch des Kindes folgend nahm der Beklagte die Spiritusflasche und schraubte diese auf, um Spiritus nachzugießen. Es entstand eine Stichflamme, die den Kläger erfasste und dessen Kleidung in Brand setzte. Der Kläger erlitt 2a bis b-gradige Verbrennungen (insgesamt 20 % verbrannte Körperoberfläche) an den Armen beidseits sowie des ventralen Thorax. Als Therapie erfolgte eine tangentiale Nekretomie am linken Oberarm/Unterarm und eine Spalthauttransplantation (Entnahme Oberschenkel beidseits ventral) sowie eine Suprathelauflage am linken Handrücken und im Thoraxbereich und. Der Kläger war drei Wochen auf der Intensivstation mit vielfachen Narkosen, die wegen der Schmerzen zum Verbandwechseln erfolgen mussten. Weiterhin war er in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Traumaaufarbeitung und war vom Schulbesuch befreit.
Auf die Berufung des Beklagten hat das LG Kaiserslautern das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Vor dem LG Bad Kreuznach haben die Parteien am 23.8.2013 einen Vergleich geschlossen, durch den sich der Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20.000 EUR verpflichtet und anerkannt hat, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Vorfall vom 12.8.2011 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom selben Tag dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er sich gegen seine Inanspruchnahme in Höhe eines 20.000 EUR übersteigenden Betrags zur Wehr gesetzt hat; mit Beschluss vom 3.9.2013 hat es dem Beklagten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe seinen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Den weiter gehenden Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat es abgelehnt.
Der Beklagte hat sofortige Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, seine zunächst beabsichtigte Rechtsverteidigung habe sich auf den Anspruch des Klägers insgesamt bezogen und sei nicht mutwillig gewesen. Die tatsächlichen Umstände hinsichtlich der Verletzungen und Erkrankungen des Klägers hätten nur durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden können. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, da ihm bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Brennspiritus um eine gefährliche Flüssigkeit handele. Hinzu komme, dass es sich um einen Anwaltsprozess handele.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Umstände sprächen dafür, das dem Kläger im Rahmen des Rechtsstreits jedenfalls ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR zugesprochen worden wäre.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Das LG hat zu Recht die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten nur insoweit bejaht, als er sich gegen die Verurteilung eines 20.000 EUR übersteigenden Betrags gewendet hat. Im Übrigen hat es aus zutreffenden Gründen Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, § 114 ZPO.
Der Kläger konnte von dem Beklagten jedenfalls die Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 20.000 EUR wegen der zu seinem Nachteil begangenen Körperverletzungen vom 12.8.2011 aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, §§ 229...