Entscheidungsstichwort (Thema)
Ärztliche Risikoaufklärung erfordert nicht den Gebrauch medizinischer Fachbegriffe
Leitsatz (amtlich)
1. Dass der Arzt im Aufklärungsgespräch vor einer Knieoperation nicht wörtlich auf die Gefahr einer "Arthrofibrose" hingewiesen hat, ist unschädlich, weil der Patient als medizinischer Laie in der Regel nicht versteht, welches konkrete Risiko damit umschrieben ist. Der Arzt muss die Aufklärung inhaltlich so gestalten, dass der Patient erfasst, worauf er sich einlassen soll. Mit dem Hinweis auf "überschießende störende Narben" und "Verwachsungen, die zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führen können, die eine langdauernde krankengymnastische oder gar operative Nachbehandlung erfordern", ist das Risiko der Arthrofibrose hinreichend und sachgemäß umschrieben.
2. Zur Frage, ob das Ausbleiben einer Arthrofibrose nach einem Revisionseingriff indiziert, bei den Bewegungseinschränkungen nach dem Ersteingriff könne es sich nicht um eine Arthrofibrose gehandelt haben.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 27.02.2013; Aktenzeichen 10 O 115/11) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 27.2.2013 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, es sei denn, die Beklagten leisten entsprechende Sicherheit.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 33.918,79 EUR (20.000 EUR Schmerzensgeld + 8.918,79 EUR materieller Schaden + 5.000 EUR Feststellungsantrag).
Gründe
Die Berufung ist aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 14.8.2013 unbegründet. Dort hat der Senat, der ergänzend auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ebenso Bezug nimmt wie auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze, folgendes mitgeteilt:
"1. Der 1945 geborene Kläger begehrt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen einer im April 2008 durchgeführten Knieoperation. Daneben möchte er die Ersatzpflicht der Beklagten für entsprechende Zukunftsschäden festgestellt haben. Das erheblich vorgeschädigte rechte Kniegelenk des Klägers wurde mit einer totalen Knieendoprothese versorgt. Im postoperativen Verlauf traten Komplikationen auf.
Der Kläger hat den Beklagten neben einer unzureichenden Aufklärung angelastet, die Prothese in einer Fehlstellung eingebracht zu haben. Demzufolge sei es zu einer massiven Arthrofibrose gekommen. All das habe den im Juli 2008 andernorts durchgeführten Revisionseingriff erfordert.
Die Beklagten (Krankenhausträger und operierender Arzt) sind dem entgegengetreten. Allein die Arthrofibrose habe den Zweiteingriff erfordert. Über das Risiko der Arthrofibrose und deren Folgen sei der Kläger aufgeklärt worden.
2. Das LG, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat zum Aufklärungsgespräch die Ärzte Dr. V. und G. als Zeugen befragt und den Kläger nach § 141 ZPO angehört. Zu den medizinischen Fachfragen hat das LG Sachverständigenbeweis erhoben.
Hiernach hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Knieprothese sei nicht fehlerhaft implantiert worden. Die postoperativen Beschwerden seien durch die Arthrofibrose verursacht; dabei handele es sich um eine Komplikation, die dem Eingriff typischerweise anhafte. Darüber sei der Kläger aufgeklärt worden, was sich aus den Zeugenaussagen der beiden hierzu befragten Ärzte ergebe. Demgegenüber habe der Kläger nicht plausibel machen können, dass man ihm versprochen habe, mit der Knieprothese könne er wieder "springen wie ein junges Reh".
3. Dagegen richtet sich die Berufung mit den Anträgen auf
a. Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000 EUR,
b. Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.195,43 EUR,
c. Zahlung eines materiellen Schadens von 8.918,79 EUR und
d. Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden.
Die Funktionalität des Kniegelenks habe sich durch den Eingriff erheblich verschlechtert. Das indiziere, dass die Prothese entgegen den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht sachgemäß implantiert worden sei. Auch habe der Gutachter die Beweglichkeitseinschränkungen und sonstigen Beschwerden unzutreffend bezweifelt oder bagatellisiert. Obwohl die als Zeugen befragten Ärzte keinerlei konkrete Erinnerung an die Gespräche vor dem Eingriff hätten, habe das LG deren Darstellung den Vorzug vor dem genauen und detaillierten Erinnerungsbild des Klägers gegeben. Von einer sachgemäßen Aufklärung, insbesondere über die Gefahr der Arthrofibrose, könne daher keine Rede sein.
Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des LG. Auch sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
4. Das Rechtsmittel erscheint aussichtslos. ...