Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erstattungsfähigkeit der im Urkundenprozess entstandenen Privatgutachterkosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im auf Mietzahlung gerichteten Urkundenprozess kann der Mieter die unzureichende Beheizbarkeit der Mietsache nicht durch ein privates Sachverständigengutachten dartun, soweit durch Vorlage dieser Urkunde ein in dieser Verfahrensart nicht zulässiger Sachverständigenbeweis ersetzt werden soll. Die Privatgutachterkosten sind daher nicht erstattungsfähig.

2. Letzteres ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gericht bei der Hauptsacheentscheidung das Privatgutachten prozessordnungswidrig berücksichtigt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 592, 595; BGB § 670

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 18.10.2011; Aktenzeichen 8 O 324/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 18.10.2011 aufgehoben:

Der Antrag der Beklagten auf Festsetzung der Kosten des Privatgutachters H. G. wird abgelehnt.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 1.153 EUR.

 

Gründe

Mit der am 15.7.2009 zugestellten Klage hat der Vermieter die beklagte Mieterin im Urkundenprozess auf Mietzahlung in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die von der Beklagten angemeldeten Privatgutachterkosten von insgesamt 1.153 EUR hat der Rechtspfleger im nunmehr angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss antragsgemäß festgesetzt. Nur durch das Sachverständigengutachten habe die Beklagte in einer im Urkundenprozess beachtlichen Weise dartun können, dass sie die Mietsache wegen der bereits ursprünglich vorhandenen Mängel nicht als Erfüllung angenommen habe.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Klägers mit Erfolg.

Das LG hat übersehen, dass das erste Gutachten des Sachverständigen G. nicht prozessbezogen war, so dass eine Erstattung der Kosten schon aus diesem Grund ausscheidet. Die Rechnung des Sachverständigen für dieses erste Gutachten (1.096,59 EUR) datiert vom 26.1.2009 (Bl. 107 GA). Das war annähernd sechs Monate vor Prozessbeginn. Welcher unter Erstattungsgesichtspunkten tragfähige Sachgrund die Beklagte veranlasste, weit im Vorfeld der Mietzinsklage sachverständigen Rat einzuholen, erschließt sich dem Senat nicht. Dabei wird nicht verkannt, dass es in der Sache um die Frage der ausreichenden Beheizbarkeit einer Industriehalle ging. Die insoweit nach Auffassung der Mieterin gebotenen Feststellungen können nur während der Heizperiode getroffen werden. Indes war im Winter 2008/2009 für die Beklagte nicht vorhersehbar, dass der Kläger sich Monate später im Sommer 2009 entschließen würde, die Durchsetzung seiner vermeintlichen Zahlungsansprüche im Urkundenprozess zu betreiben. Die Klage war zwar bereits im Oktober 2008 beim LG Koblenz eingereicht worden. Da der für die Zustellung unerlässliche Gerichtskostenvorschuss aber nicht gezahlt wurde, ist nicht zu ersehen, dass die Beklagte Anfang 2009, als sie den Privatgutachter beauftragte, Kenntnis von der beabsichtigten Klage hatte.

Die Voraussetzungen, unter denen der Senat einer Partei ausnahmsweise zubilligt, sich bereits im Vorfeld eines drohenden Prozesses sachverständig beraten zu lassen, liegen nicht vor.

Im Übrigen sind die Kosten, ebenso wie die weiteren Kosten des Privatgutachters von 275,49 EUR für das innerprozessual im Dezember 2009 gefertigte ergänzende Privatgutachten, aber auch aus folgenden Gründen nicht erstattungsfähig:

Der Sachverständigenbeweis ist kein im Urkundenprozess statthaftes Beweismittel (§§ 595 Abs. 2, 592 ZPO). Diese Einschränkung gilt auch für das Verteidigungsvorbringen des Beklagten. Bei einem Privatgutachten handelt es sich zwar um eine Urkunde im Sinne der Zivilprozessordnung. Sie stellt jedoch keine im Urkundenprozess taugliche Urkunde dar, wenn sie lediglich den dort nicht zulässigen Sachverständigenbeweis ersetzen soll. Die mit dem Ausschluss anderer Beweismittel als Urkunden verbundene vorläufige Verkürzung der Verteidigungsrechte des Beklagten beruht auf der generell erhöhten Erfolgswahrscheinlichkeit des von Urkunden gestützten Rechtsbegehrens. Ist der Beklagte des Urkundenprozesses demnach mit dem Sachverständigenbeweis präkludiert, kann er diese prozessuale Hürde nicht dadurch überwinden, dass er einen Sachverständigen beauftragt, seine Feststellungen und Schlussfolgerungen zu Papier zu bringen, um damit dann den Urkundenbeweis zu führen. Solche schriftlichen Gutachten sollen an die Stelle des im Urkundenprozess ausgeschlossenen Sachverständigenbeweises treten. Damit handelt es sich um eine Umgehung des vom Gesetzgeber gewollten Ausschlusses des Sachverständigenbeweises. Würde man das anders sehen, wäre die Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden sinnlos, weil sie stets durch Vorlage von Niederschriften, die den Sachverständigenbeweis ersetzen sollen, umgangen werden könnte (vgl. zum Ganzen BGHZ 173, ...

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