Leitsatz (amtlich)

Der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.

Die Erstattung der für einen Mehrvergleich angefallenen Anwaltsgebühren aus der Staatskasse erfordert eine Bewilligung bzw. Erstreckung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Gegenstand des Mehrvergleichs.

Ein für ein bestimmtes Rechtsbegehren gestellter Verfahrenskostenhilfeantrag erstreckt sich grundsätzlich nicht auf alle weiteren, später gestellten Anträge in derselben Sache oder zusammenhängenden Sachen. Hat sich jedoch an der Bedürftigkeit des Beteiligten offenkundig nichts geändert, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auch konkludent für die Erweiterung eines Antrages oder einen Mehrvergleich Verfahrenskostenhilfe in Anspruch genommen werden soll, wenn bislang noch nicht über die beantragte Verfahrenskostenhilfe entschieden wurde.

 

Normenkette

RVG § 48 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Mayen (Aktenzeichen 8b F 138/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 15.11.2019, 8b F 138/19, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg. Dass die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin die Beschwerde als Erinnerung bezeichnet hat, ist unschädlich.

Gemäß § 45 ff. RVG waren die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten nur auf 860,97 EUR festzusetzen. Denn die mit Beschluss vom 11.06.2019 gewährte Verfahrenskostenhilfebewilligung hat nicht zur Folge, dass der der Antragstellerin beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse in Bezug auf den Mehrvergleich auch eine Verfahrens- und Terminsgebühr, und damit insgesamt 1.342,32 EUR zu erstatten sind.

Ausgangspunkt für die Frage des Umfangs der Kostenerstattung aus der Staatskasse ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 RVG. Danach richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst hinsichtlich des Mehrvergleichs neben der Einigungsgebühr auch eine Verfahrens- und Terminsgebühr aus. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit - zweifelsfrei angefallener - Gebühren aus der Staatskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wiederholt zitierten Entscheidung des BGH vom 17.01.2018 - XII 248/16 -. Zutreffend wird dort erkannt, dass die bedürftige Partei einen Anspruch auf Erstreckung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs hat. Aber die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe setzt gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO einen Antrag voraus; eine Bewilligung ohne Antrag scheidet im stark formalisierten Verfahrenskostenhilfeverfahren aus.

In der zitierten Entscheidung des BGH lag ein entsprechender Bewilligungsbeschluss vor. Die Kostenerstattung bedingt folglich, dass bei einem Mehrvergleich die Erstreckung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss der Vereinbarung nach entsprechender Antragstellung ausgesprochen wird. Darauf ist zu achten; nach Abschluss des Verfahrens kommt eine solche Nachholung nicht mehr in Betracht.

Zwar ist weder eine konkludente Antragstellung noch eine Auslegung des Antrags ausgeschlossen (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage 2020, § 114 Rn. 14, 15; BAG, Beschl. v. 30.4.2014 - 10 AZB 13/14, juris). Grundsätzlich erstreckt sich aber ein für ein bestimmtes Rechtsbegehren gestellter Verfahrenskostenhilfeantrag nicht auf alle weiteren, später gestellten Anträge in derselben Sache oder zusammenhängenden Sachen. Hat sich an der Bedürftigkeit des Beteiligten aber offenkundig nichts geändert, so kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auch für die Erweiterung des Antrages oder den Vergleich Verfahrenskostenhilfe in Anspruch genommen werden soll, wenn anschließend über die Verfahrenskostenhilfe insgesamt noch entschieden werden muss (so auch: KG vom 03.06.2019, FF 2019, 374-376).

So liegt indes hier der Fall nicht. Denn bereits unter dem 11.06.2019 war der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe gewährt worden; der Vergleich über die Umgangsregelung wurde jedoch erst am 05.08.2019 geschlossen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13775183

AGS 2020, 293

NZFam 2020, 496

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