Leitsatz (amtlich)
Lehnt der Verteidiger es ab, der Bußgeldstelle die von dieser erbetene Leerkassette zwecks Überspielung der über den Verkehrsverstoß aufgenommenen Videosequenz zur Verfügung zu stellen, ist die spätere Rüge des Betroffenen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, unbegründet.
Tenor
Der Antrag des Betroffenen, seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 19. November 1999 zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.
Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe
Die Kreisverwaltung B. -W. verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 16. Juni 1999 wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 4 Abs. 3 StVO (Unterschreiten des Mindestabstands eines Lastkraftwagens zu vorausfahrenden Fahrzeugen auf der Autobahn) eine Geldbuße von 100 DM. Seinen dagegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht Wittlich durch Urteil vom 19. November 1999 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, nachdem der Betroffene, der von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden worden war, im Hauptverhandlungstermin ausgeblieben war. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 26. November 1999 hat der Betroffene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt, da das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben sei (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, Betroffener und Verteidiger seien zum Hauptverhandlungstermin bewusst nicht erschienen, da letzterem das über den in Rede stehenden Verkehrsverstoß von der Polizei erstellte Videoband trotz Antrags vor der Hauptverhandlung weder im Original noch in Kopie überlassen worden sei, so dass eine sachgerechte Verteidigung von vornherein nicht möglich gewesen sei. Zwar sei von Bußgeldstelle und Gericht angeboten worden, dass die sachbearbeitende Verkehrsdirektion in Sch. die betreffende Filmsequenz auf eine von dem Verteidiger an sie zu übersendende Leerkassette überspiele und ihm zur Verfügung stelle. Diese Verfahrensweise sei jedoch von der Verteidigung abgelehnt worden, da für sie keine Verpflichtung bestehe, zur Erfüllung des Anspruchs auf Akteneinsicht von sich aus "ohne weitere Schwierigkeiten auf dem freien Markt erhältliches" Material zur Verfügung zu stellen. Mit der unberechtigten Vorenthaltung des Beweismittels sei der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.
Anders als die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 11. Januar 2000 geht der Senat davon aus, dass der Zulassungsantrag den einzuhaltenden formellen Erfordernissen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. OLG Düsseldorf in VRS 81, 389, 390) in der Gesamtschau noch entspricht. In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg. Denn nach dem Beschwerdevorbringen, von dessen Richtigkeit sich der Senat im Freibeweisverfahren hat überzeugen können (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl. , § 80 Rdnr. 16 c), ist der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht gegeben.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Aufhebung des Urteils wegen Versagung rechtlichen Gehörs nur erfolgen, wenn nicht zweifelhaft sein kann, dass auch das dieserhalb angerufene Verfassungsgericht zu einer solchen Entscheidung gelangen würde (vgl. OLG Köln in VRS 83, 367, 369), sich die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs mithin aufdrängt (vgl. OLG Düsseldorf in VRS 82, 209, 210; Göhler, a. a. O. Rdnr. 16 a). Eine dahingehende qualifizierte Rechtsverletzung (vgl. OLG Karlsruhe in VRS 79, 376, 377), in deren Prüfung bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens einzutreten ist (vgl. OLG Düsseldorf in VRS 81, 389, 390), ist nicht ersichtlich. Gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG wird nur dann verstoßen, wenn dem Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (vgl. Göhler a. a. O. ). Dieserhalb wurden dem Verteidiger hier aber nicht nur die Verfahrensakten zur Einsichtnahme überlassen. Vielmehr wurde er mehrfach auch auf die Möglichkeit hingewiesen, nach Übersendung einer Leerkassette von der Verkehrsdirektion in Sch. eine Kopie des über den dem Betroffenen zur Last gelegten Verkehrsverstoß erstellten und von dem Recht auf Akteneinsicht mitumfassten (vgl. BayObLG in NJW 1991, 1070; Kurz in Karlsruher Kommentar, OWiG, § 60 Rdnr. 97) Videofilmabschnitts zu erhalten, wobei die Überlassung des Originalbandes schon wegen der damit einhergehenden Gefahr des Verlustes des Beweismittels zu Recht versagt wurde (vgl. BayObLG, a. a. O. ). Dass der Verteidiger die angebotene Gelegenheit nicht nutzte, indem er die erbetene Übersendung einer Leerkassette an die Verkehrsdirektion in Sch. ablehnte, kann weder der Bußgeldstelle noch dem Amtsgericht angelastet werden. Denn wenn der sich aus sinngemäßer Anwendung von § 147 StPO (vgl. Kurz, a. a. O. , Rdnr. 96) ergebende Anspruc...