Leitsatz (amtlich)
Zum Vortrag zur Begründung der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im OWi-Verfahren.
Die Entscheidung über den Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Verfahrensgang
AG Bad Berleburg (Entscheidung vom 27.05.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bad Berleburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein hat mit Bußgeldbescheid vom 17. September 2002 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 100,00 EUR festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Urteil vom 27. Mai 2003 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. In den Urteilsgründen wird hierzu ausgeführt:
"Der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbunden wurde, ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben."
Aus der rekonstruierten Akte (die am 08. April 2003 dem Verteidiger des Betroffenen zur Akteneinsicht übersandte Originalakte ist aus nicht geklärten Gründen in Verlust geraten) ergibt sich hierzu Folgendes:
Das Amtsgericht hatte auf den Einspruch des Betroffenen Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. Mai 2003 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 beantragte der Verteidiger des Betroffenen, diesen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, dass der Betroffene lediglich einräume, zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung Fahrer des betreffenden Kraftfahrzeuges gewesen zu sein. Darüber hinausgehende Angaben zur Sache werde der Betroffene nicht machen. Die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung werde angezweifelt, da die Messbeamten nicht alle Messungen notiert und in das Messprotokoll aufgenommen hätten.
Mit einem dem Verteidiger des Betroffenen vorab per Fax übermittelten Schreiben vom 22. Mai 2003 teilte der Bußgeldrichter des Amtsgerichts dem Verteidiger mit, dass der Betroffene nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden werden könne, da die dem Verteidiger am 08. April 2003 zur Einsichtnahme übersandte Akte noch nicht wieder bei Gericht eingegangen sei. Bereits am Vortag hatte sich das Amtsgericht von der Bußgeldbehörde den Bußgeldbescheid und die Abgabeverfügung der Behörde per Fax übermitteln lassen. Der Verteidiger des Betroffenen teilte dem Amtsgericht mit Schreiben vom 22. Mai 2003 mit, dass die Bußgeldakte dem Amtsgericht bereits mit Schriftsatz vom 09. Mai 2003 zurückgesandt worden sei. Im Hauptverhandlungstermin vom 27. Mai 2003, zu dem weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, reichte einer der als Zeugen geladenen Polizeibeamten Kopien des Messprotokolls nebst Zusatzangaben sowie der Ordnungswidrigkeiten- Anzeige zur Akte.
Gegen das am 27. Mai 2003 verkündete und dem Verteidiger des Betroffenen am 04. Juni 2003 zugestellte Verwerfungsurteil hat der Betroffene mit Schreiben seines Verteidigers vom 05. Juni 2003, am selben Tage eingegangen beim Amtsgericht Bad Berleburg, Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Diesen Antrag hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 03. Juli 2003 rechtzeitig begründet. Er rügt Verfahrensfehler, die er insbesondere darin sieht, dass das Amtsgericht den Entbindungsantrag des Betroffenen nicht beschieden und zu dessen Überraschung eine Hauptverhandlung ohne Akte durchgeführt habe. Darüber hinaus wird ohne nähere Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da die Begründung des Zulassungsantrages den Anforderungen der § 80 Abs. 3 Satz 2 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genüge.
II.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Dieser Zulassungsgrund wird durch § 80 Abs. 2 OWiG nicht eingeschränkt (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1992, 43; OLG Köln NStZ 1988, 31; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdnr. 16 i).
1.
Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollstä...