Leitsatz (amtlich)

Gestattet die durch ein gewaltschutzrechtliches Kontaktaufnahmeverbot geschützte Person wieder eine entsprechende, in der Gewaltschutzanordnung untersagte Kontaktaufnahme oder erwidert diese, kann der durch die Gewaltschutzanordnung Verpflichtete die Aufhebung dieser bei Gericht beantragen. Eine Vollstreckung des Kontaktaufnahmeverbots kommt auch ohne förmliche Aufhebung der Gewaltschutzanordnung nicht mehr in Betracht.

Möchte die durch ein fortbestehendes gewaltschutzrechtliches Kontaktaufnahmeverbot geschützte Person nicht mehr auf ihren durch dieses angeordneten Schutz verzichten, muss sie dies gegenüber dem Verpflichteten eindeutig zum Ausdruck bringen. Eine Vollstreckung des Kontaktaufnahmeverbots wegen nach diesem Zeitpunkt liegender Verstöße erfordert darüber hinaus eine vorherige zusätzliche gerichtliche Verfügung (zumindest einen Hinweis) gegenüber dem Verpflichteten, dass er sich von nun an nicht mehr auf den Verzicht auf die ergangene und noch nicht zeitlich abgelaufene gerichtliche Schutzanordnung berufen kann.

 

Normenkette

FamFG § 96; GewSchG § 1 Abs. 1; ZPO § 890

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners werden der Ordnungsmittelbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lahnstein vom 05.09.2018 und die Nichtabhilfeentscheidung vom 01.10.2018 aufgehoben; der Ordnungsgeldantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.

3. Wert: 100 EUR.

 

Gründe

Die gemäß §§ 96 Abs. 1, 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners, über welche der Senat nach mit Beschluss des Einzelrichters vom heutigen Tage erfolgter Übertagung der Rechtssache auf den Senat in seiner nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, hat in der Sache Erfolg. Der Ordnungsmittelantrag der Antragstellerin unterliegt der Abweisung.

Zwar dürfte der Antragsgegner gegen die einstweilige Gewaltschutzanordnung des Familiengerichts vom 24.11.2017 verstoßen haben. Denn diese untersagte ihm, u.a. in jedweder Form mit der Antragstellerin Kontakt aufzunehmen. Allerdings hat die Antragstellerin selbst in der Folgezeit Kontakt zum inhaftierten Antragsgegner gesucht und diesen auch weiter zugelassen. So hat sie ihm im Dezember 2017 eine Weihnachtskarte geschrieben sowie anschließend wiederholt mit dem Antragsgegner - wenngleich wie sie behauptet, von diesem ausgehende - Telefonate geführt und Briefe in Empfang genommen. Begründet hat sie dies damit, dass da von ihrer Seite gefühlsmäßig wohl noch etwas gewesen sei (Bl. 37 d. HA.).

Durch dieses Verhalten hat die Antragstellerin nachdrücklich gezeigt, dass sie jedenfalls auf das in der Gewaltschutzanordnung verhängte fernmündliche bzw. postalische Kontaktaufnahmeverbot verzichtet. Hierdurch hätte der Antragsgegner das Recht gehabt, zumindest insoweit die Aufhebung der einstweiligen Gewaltschutzanordnung zu beantragen (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2016, 989). Denn eine Wahrnehmung berechtigter Interessen seitens der Antragstellerin, wie z.B. im Zusammenhang mit einem Regelungsbedürfnis in Bezug auf ein gemeinsames Kind (vgl. Cirullies FamRZ 2016, 953, 954), ist in ihrem Verhalten nicht zu sehen.

In dem Umfang, in welchem der Antragsgegner somit berechtigt gewesen wäre, die Aufhebung der Gewaltschutzanordnung zu beantragen, stellt sich die anschließende Verhängung eines Ordnungsmittels sodann als unverhältnismäßig dar. Dabei ist auch nicht danach zu differenzieren, ob der Inhalt der Briefe des Antragsgegners noch angemessen erscheint oder dies - wie bei dem hier im Streit stehenden - nicht mehr der Fall ist. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin ab März/April 2018 nicht mehr bereit war, den der Gewaltschutzanordnung widersprechenden fernmündlichen und postalischen Kontakt mit dem Antragsgegner fortzusetzen. Denn die Antragstellerin begehrt vorliegend die Vollstreckung einer gerichtlichen Schutzanordnung. Selbst falls man diese vom 24.11.2017 mangels tatsächlich erfolgter Aufhebung noch als fortwirkende Vollstreckungsgrundlage ansehen könnte, wäre nun vor einer Vollstreckung aus Verhältnismäßigkeits- und Rechtsklarheitsgründen eine zusätzliche gerichtliche Verfügung (zumindest ein Hinweis) gegenüber dem Antragsgegner erforderlich, um diesem von gerichtlicher Seite vor Augen zu führen, dass er sich von nun an nicht mehr auf den Verzicht der Antragstellerin auf die ergangene und noch nicht zeitlich abgelaufene gerichtliche Schutzanordnung berufen kann.

Jedenfalls eine zusätzliche gerichtliche Verfügung bzw. ein entsprechender gerichtlicher Hinweis in der vorstehend erwähnten Art sind hier gegenüber dem Antragsgegner vor dem ihm vorgeworfenen Verstoß gegen die Gewaltschutzanordnung vom 24.11.2017 nicht erfolgt. Der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin war folglich abzulehnen. Dabei wird klarstellend darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner sich selbstverständlich an die erneute Gewaltschutzanordnung des Familien...

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