Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersuchungshaft. Haftbefehl. Urteilsverkündung. Anpassung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anpassung des bestehenden Haftbefehls an eine geänderte Sach- und Rechtslage ist regelmäßig dann erforderlich, wenn einer von mehreren Haftgründen entfällt oder wenn sich im Laufe des Verfahrens die den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen wesentlich geändert haben, insbesondere der dringende Tatverdacht wegen einiger der in dem Haftbefehl angeführten Taten entfällt, die ursprünglich angenommene Tat rechtlich oder tatsächlich anders zu bewerten ist oder neue, für die Haftfrage bedeutsame Taten bekannt geworden sind.
2. Die nach § 114 Abs. 2 StPO erforderlichen Angaben zum dringenden Tatverdacht können durch Bezugnahme auf ein ergangenes Urteil ersetz werden, wenn der Angeklagte im Sinne des Haftbefehls verurteilt worden wird; in diesem Fall setzt die gleichzeitige Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 268b StPO) keine gesonderte Prüfung und Begründung des dringenden Tatverdachts voraus; denn dieser wird dann bereits durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt.
Normenkette
StPO § 114 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Entscheidung vom 21.12.2015; Aktenzeichen 1043 Js 24117/14) |
LG Bad Kreuznach (Entscheidung vom 30.11.2015; Aktenzeichen 1043 Js 2417/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftfortdauerbeschluss der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. November 2015 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss desselben Gerichts vom 21. Dezember 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an die genannte Strafkammer zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde am 17. Oktober 2014 festgenommen und befindet sich seit diesem Tag auf der Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 29. September 2014 (Bl. 145 ff. d.A.) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Im Haftbefehl werden ihm ein Fall des gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG) sowie zwei Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) zu Last gelegt. Er soll, um sich eine beständige und dauerhafte Einkommensquelle zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen, im Zeitraum von Herbst 2013 bis April 2014 in Me. und Mo. an drei verschiedenen Tagen Amphetamin an den gesondert Verfolgten G. P. veräußert haben (einmal 100 g für 250,- Euro [Fall 1], einmal 200 g für 500,- Euro [Fall 2] und einmal 500 g für 1.250,- Euro [Fall 3]). Der Haftbefehl ist auf Flucht- (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO) gestützt.
Am 8. Dezember 2014 hat die Staatsanwaltschaft Anklage zum Landgericht Bad Kreuznach erhoben (Bl. 223 ff. d.A.). Über die im Haftbefehl genannten Taten hinaus werden dem Angeklagten darin drei weitere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt, und zwar soll der Angeklagte im Zeitraum von 2012 bis Ende 2013 bei drei verschiedenen Gelegenheiten in S. jeweils 300 g Amphetamin an den gesondert verfolgten C. M. verkauft haben (Fälle 4 bis 6). Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft beantragt, den Haftbefehl im Sinne des Anklagevorwurfs neu zu fassen (vgl. Bl. 232 d.A.).
Mit Beschluss vom 9. Januar 2015 hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren jedoch wegen sachlicher Unzuständigkeit des Landgerichts vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Bad Kreuznach eröffnet (Bl. 251 d.A.). Zugleich hat sie Haftfortdauer angeordnet; eine Anpassung des Haftbefehls erfolgte nicht, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt.
Mit Urteil vom 21. April 2015 hat das Amtsgericht Bad Kreuznach den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; im Übrigen hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (Bl. 452 ff. d.A.). Als erwiesen sah das Gericht an, dass der Angeklagte im Zeitraum von 2012 bis Ende 2013 in drei Fällen Amphetamin an den gesondert verfolgten C. M. verkaufte (Fälle 4 bis 6), wobei es sich in einem Fall (Fall 4) um eine nicht geringe Menge von 300 g handelte; überzeugt war das Amtsgericht weiter auch davon, dass der Angeklagte zwischen Herbst 2014 und April 2014 bei (nur) zwei Gelegenheiten Amphetamin an den Zeugen P. verkaufte, und zwar beim ersten Mal 200 g für 500,- Euro (Fall 2) und beim zweiten Mal 500 g für 1.250,- Euro (Fall 3). Auch bezüglich des zuletzt genannten Falles hat das Amtsgericht eine nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte mit dem Ziel des Freispruchs als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Berufungshauptverhandlung vor d...