Leitsatz (amtlich)

Die Übermittlung eines mit einer einfachen Signatur versehenen elektronischen Dokuments muss vom Unterzeichner selbst von dessen besonderen elektronischen Anwaltspostfach erfolgen.

 

Normenkette

FamFG § 2 S. 2, § 14 Abs, § 14b Abs. 1 S. 1; ZPO § 130a Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Aktenzeichen 181 F 349/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 27.01.2023 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Beschwerdefrist und Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 4.000,00 EUR.

Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und die Rechtsanwaltskanzlei D. in W. beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) über die Rückführung der drei gemeinsamen Kinder in die Ukraine zum Antragsteller.

Mit Beschluss vom 27.01.2023 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Rückführung der Kinder zurückgewiesen. In der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u.a.:

"Gegen diesen Beschluss findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat bei dem Amtsgericht Koblenz, Karmeliter Straße 14, 56068 Koblenz einzulegen...".

Der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsstellers wurde der Beschluss am 30.01.2023 mit Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit am 28.02.2023 beim Beschwerdegericht eingereichten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und diese begründet. Laut Prüfvermerk vom 28.02.2023 ging der Schriftsatz als elektronisches Dokument um 16.11 Uhr beim Oberlandesgericht Koblenz über ein besonderes Anwaltspostfach ein, wobei der Beschwerdeschriftsatz keine qualifizierte Signatur nach ERVB aufwies. Nach Mitteilung über den Eingang einer Rechtsmittelschrift und Aufforderung, die erstinstanzlichen Akten einzureichen, gem. gerichtlicher Verfügung vom 01.03.2023 übersandte das Amtsgericht die Akten dem Beschwerdegericht am 03.03.2023.

Mit am 09.03.2023 der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsstellers zugestellten Verfügung vom gleichen Tag hat der Senat darauf hingewiesen, dass er die Beschwerde wegen Verfristung für unzulässig erachte, da die Beschwerdefrist gegen den angefochtenen Beschluss gem. § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG zwei Wochen betrage. Der Beschluss sei am 30.01.2023 zugestellt worden und die Beschwerde beim Oberlandesgericht am 28.02.2023 eingegangen. Es liege Verfristung vor, da auch die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung die Beschwerdefrist von zwei Wochen in Gang gesetzt habe. Eine Wiedereinsetzung komme, unabhängig von der Frage, ob die Kenntnis von dieser Beschwerdefrist üblicherweise erwartet werden könne, jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil auch die einmonatige Beschwerdefrist am 28.02.2023 nicht eingehalten worden sei. Die Beschwerde sei beim Beschwerdegericht anstatt richtigerweise beim Familiengericht eingegangen. Eine Weiterleitung an das Familiengericht habe frühestens am 01.03.2023 erwartet werden können. Innerhalb der gesetzten Frist zur Stellungnahme hat der Antragsteller mit am 16.03.2023 eingereichten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag Wiedereinsetzungsantrag beim Beschwerdegericht gestellt und mit am 16.03.2023 beim Amtsgericht eingereichten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27.01.2023 eingelegt und diese begründet.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt der Antragsteller aus, dass das Beschwerdegericht gegen seine Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht verstoßen habe. Der angefochtene Beschluss habe der Beschwerde beigelegen. Es sei ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht hätte gerichtet werden müssen. Die Beschwerde sei auch an einem Dienstagnachmittag, mithin innerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs eingegangen. Auch durch das elektronische Portal per "beA" wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, die Beschwerde an das Familiengericht am selben Tag, und nicht erst einen Tag später weiterzuleiten. Auch sei der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet, weil ein Fristversäumnis ohne Verschulden vorliege. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung im erstinstanzlichen Beschluss sei fehlerhaft gewesen. Auf die Belehrung habe die Verfahrensbevollmächtigte vertraut. Die Grundzüge des Verfahrensrechtes des Rechtsmittelsystems der familienrechtlichen Verfahrensart seien der Verfahrensbevollmächtigten bekannt. Üblicherweise betrage die Rechtsmittelfris...

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