Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen
Leitsatz (amtlich)
Die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG begründete Sonderzuständigkeit der OLG gilt nicht für Beschwerden gegen Entscheidungen der AG in Zwangsvollstreckungssachen.
Normenkette
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b
Verfahrensgang
AG Worms (Beschluss vom 01.04.2008; Aktenzeichen 11 M 401/08) |
Tenor
Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 14.4.2008 gegen den Beschluss des AG Worms vom 1.4.2008 an das LG Mainz abgegeben.
Gründe
I. In einem Zwangsversteigerungsverfahren vor dem AG Worms (Az.: 17 K 28/2003) wurde das im Eigentum des Schuldners stehende Grundstück in F. versteigert. Den Zuschlag erhielt der Gläubiger, der nach Erteilung einer entsprechenden Vollstreckungsklausel die Räumung des Anwesens betrieb. Hierbei wurde ein auf dem Grundstück abgestellter Lkw Mercedes Benz mit dem amtlichen slowakischen Kennzeichen ... gepfändet. Dagegen wendet sich die Erinnerungsführerin - eine in der Slowakei ansässige Gesellschaft mit "Verwaltungssitz" auf dem zwangsversteigerten Grundstück, deren Geschäftsführer der Schuldner ist - mit der Behauptung, der LKW stehe in ihrem Eigentum.
Das AG hat den Gerichtsvollzieher auf die Erinnerung hin durch Beschluss vom 1.4.2008 (Bl. 30 GA) angewiesen, die Pfändung des Lkw aufzuheben und das Fahrzeug an die Erinnerungsführerin herauszugeben. Es ist davon ausgegangen, dass der Lkw nicht im Gewahrsam des Schuldners gestanden habe. Dagegen wendet sich der Gläubiger mit seiner sofortigen Beschwerde.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache unter Bezugnahme auf § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG dem OLG zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 8.5.2008, Bl. 53 GA).
Der Senat hat auf Bedenken an der funktionellen Zuständigkeit des OLG hingewiesen. Die Erinnerungsführerin hat mit Schriftsatz vom 18.6.2008 "Einspruch gegen eine Rückverweisung an das LG Mainz" erhoben.
II. Das OLG Koblenz ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel des Schuldners nicht zuständig. Die Ausnahmeregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG, wonach die OLG für Beschwerden gegen Entscheidungen der AG in Streitigkeiten zuständig sind, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat, findet im vorliegenden Fall keine Anwendung.
Es ist bereits fraglich, ob die Vorschrift auf eine Auslandsgesellschaft mit einem "Verwaltungssitz" in Deutschland überhaupt anwendbar ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 27.6.2007 - XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551) liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG dann nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen solchen im Inland hat.
Die Erinnerungsführerin hat ihren "Verwaltungssitz" ihren eigenen Angaben zufolge in F.. Sollte die Willensbildung der Gesellschaft und deren eigentliche unternehmerische Leitung von dort aus erfolgen, hätte die Gesellschaft nach Art. 60 Abs. 1b EuGVVO, Art. 48 Abs. 1 EG ihre Hauptverwaltung in Deutschland und damit - zumindest auch - einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, so dass die Sonderzuständigkeit des OLG nicht gegeben wäre.
Doch auch wenn die Erinnerungsführerin im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit lediglich in der Slowakei einen allgemeinen Gerichtsstand gehabt haben sollte, wäre das LG nach § 72 GVG für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.
Gegen eine Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG auf Beschwerden in Zwangsvollstreckungsverfahren spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, der auf "Streitigkeiten über Ansprüche" abstellt. Ansprüche i.S.v. § 194 Abs. 1 BGB werden regelmäßig im Erkenntnisverfahren geltend gemacht, während der Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren die Durchsetzung eines Titels begehrt.
Vor allem aber der Sinn und Zweck der nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG begründeten Sonderzuständigkeit der OLG spricht gegen eine Anwendbarkeit im vorliegenden Fall. Die Regelung wurde durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 mit der Begründung eingeführt, dass in Sachen mit Auslandsbezug ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung bestehe, da das Gericht in derartigen Fällen regelmäßig die Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden habe, um zu entscheiden, welches materielle Recht es seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 15.5.2001, BT-Drucks. 14/6036 116 [118, 119]).
Diese Überlegungen greifen nicht ein, wenn das AG wie hier als Vollstreckungsgericht tätig wird. Bei der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen und bei der Entscheidung über Erinnerungen i.S.d. § 766 ZPO hat das Gericht nach dem "lex fori"-Prinzip ausschließlich deutsches Recht anzuwenden. Das Zwangsvollstreckungsrecht bietet daher keine Fallgestaltungen, in denen regelmäßig und typischerweise unter Anwendung der Bestimmungen des internatio...