Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Familiengerichts über eine Anwendung, die auf OSCI beruht, handelt es sich nicht um einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 3 Alt. 2 ZPO.
2. Durch Übermittlung an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Familiengerichts über eine Anwendung, die auf OSCI beruht, kann eine Beschwerde nur dann formgerecht eingereicht werden, wenn die als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerdeschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Insoweit reicht eine Container-Signatur seit dem 1. Januar 2018 nicht mehr aus. Dies gilt selbst dann, wenn dem Gericht lediglich mit der signierten Nachricht nur ein einziges Dokument übermittelt wird.
3. Das gesetzliche Verbot der Container-Signatur ist mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sowie dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizgewährleistungsanspruch zu vereinbaren.
4. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Container-Signatur ist nicht nach §§ 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG, 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO zu heilen.
5. Hinsichtlich des seit dem 1. Januar 2018 geltenden gesetzlichen Verbots der Container-Signatur lag auch vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18 - schon keine unklare Rechtslage vor.
6. Von einem Verfahrensbevollmächtigten ist zu erwarten, dass er Container- und Einzelsignaturen zu erkennen, voneinander abzugrenzen und diese juristisch einzuordnen, mithin sich von einer ordnungsgemäßen und den einschlägigen Formvorschriften entsprechenden Signatur in jedem Einzelfall zu überzeugen, vermag. Denn so wie ein Rechtsanwalt Vorkehrungen dagegen treffen muss, dass Schriftstücke nicht versehentlich in den Postausgang geraten und ohne Unterschrift bei Gericht eingereicht werden, muss er auch Vorkehrungen - im Sinne einer Kontrolle im Einzelfall - dagegen treffen, dass elektronische Dokumente nicht ordnungsgemäß signiert übermittelt werden.
Normenkette
ERVV § 4; FamFG § 14 Abs. 2 S. 2, Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 63; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; EMRK Art. 6 Abs. 1; ZPO § 130a Abs. 3 Alt. 2
Verfahrensgang
AG Betzdorf (Beschluss vom 07.03.2019; Aktenzeichen 51 F 33/19) |
Tenor
Der auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerichtete Antrag der Kindeseltern wird zurückgewiesen.
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Betzdorf vom 7. März 2019 gerichtete Beschwerde der Kindeseltern wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kindeseltern je zur Hälfte zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Der auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gerichtete Antrag der Kindeseltern wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Familiengericht hat der Kindesmutter mit Beschluss vom 7. März 2019 die elterliche Sorge für das seinerzeit noch ungeborene "Kind mit dem Nachnamen ... oder ..." entzogen. Gleichzeitig hat es von einer Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater abgesehen, Vormundschaft angeordnet und das zuständige Jugendamt zum Vormund bestimmt.
Gegen diese dem Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern am 15. März 2019 zugestellte Entscheidung haben die Kindeseltern durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit einem am 11. April 2019 um 16:01:09 Uhr an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Familiengerichts übermittelten elektronischen Dokument Beschwerde eingelegt. Die dabei verwendete qualifizierte elektronische Signatur bezieht sich nach dem Transfervermerk nicht auf dieses elektronische Dokument selbst, sondern auf den Nachrichtencontainer mit den Inhaltsdaten "herstellerinformation.xml, nachricht.xml, nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl" sowie zwei Anhängen im PDF-Format, bei denen es sich um den Beschwerdeschriftsatz und ein Übersendungsschreiben handelt.
Im Anschluss an einen nach Eingang der Akten beim Beschwerdegericht erteilten Hinweis auf die Unzulässigkeit der verwendeten Containersignatur und - daraus folgend -
der Beschwerde haben die Kindeseltern mit Schriftsatz vom 9. Mai 2019 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Beschwerdefrist beantragt. Diesem Schriftsatz beigefügt war erneut der Beschwerdeschriftsatz als elektronisches Dokument, nunmehr allerdings einzeln mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
II. Die vorliegende Beschwerde ist - worauf die Kindeseltern mit Schreiben vom 6. Mai 2019 sowie mit dem Beschluss des Senats vom15. Mai 2019 hingewiesen worden sind - bereits unzulässig. Denn sie ist nicht innerhalb der einschlägigen Beschwerdefrist in formwirksamer Art und Weise eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Kindeseltern insoweit nicht zu gewähren.
Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde in Fällen wie dem vorliegenden binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Diese beginnt nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgab...