Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bezeichnung von Gegenständen in einer Beschlagnahmeanordnung. Richterliche Bestätigung der Beschlagnahme
Leitsatz (amtlich)
›1. Ordnet ein Richter - etwa gleichzeitig mit dem Erlass eines Durchsuchungsbefehls - die Beschlagnahme von Gegenständen an, bevor diese von den Strafverfolgungsbehörden in amtlichen Gewahrsam genommen worden sind, und bezeichnet er die Gegenstände nicht so genau, dass keine Zweifel darüber entstehen, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind, dann liegt noch keine wirksame Beschlagnahmeanordnung vor, sondern nur eine Richtlinie für die Durchsuchung.
2. In einem solchen Fall hat ein Beschwerdeführer zunächst eine Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO über die Bestätigung der Beschlagnahme konkreter Beweismittel herbeizuführen. Eine gegen die unwirksame Beschlagnahmeanordnung gerichtete Beschwerde ist entsprechend auszulegen.
3. Die Nichtabhilfeentscheidung ersetzt nicht die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO.‹
Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 10.05.2006) |
Gründe
I. Der Angeklagte ist Angestellter eines Kreditinstituts und seit 1999 Ortsbürgermeister der Gemeinde S.. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Trier vom 20. September 2004 legt ihm Bestechlichkeit in Tateinheit mit versuchter Erpressung im Zusammenhang mit dem Verkauf eines im Eigentum der Gemeinde stehenden, in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks zur Last (Tatzeit: 18. Mai 2000). Nachdem die 1. Strafkammer des Landgerichts Trier am 26. September 2005 das Hauptverfahren eröffnet hatte, hat sie am 14. März 2006 mit der Hauptverhandlung begonnen. Sie dauert nach wie vor an. Die Urteilsverkündung soll am 21. Juni 2006 erfolgen.
Zwischen dem 6. und 7. Hauptverhandlungstermin (25. April und 15. Mai 2006) erließ die Strafkammer am 10. Mai 2006 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, wonach die Geschäftsräume von vier Geldinstituten zum Auffinden von "Beweismitteln, und zwar von schriftlichen Kontounterlagen des Angeklagten ... sowie seiner Ehefrau ... betreffend den Zeitraum 1.11.2000 bis 31.12.2001" für insgesamt 28 genau bezeichnete Konten durchsucht werden sollten. Inhaber dieser Konten sind bzw. waren teils der Angeklagte, teils seine damalige Lebensgefährtin (heutige Ehefrau, die seinerzeit bereits mit dem Angeklagten zusammenlebte) und teils dritte Personen, die dem Angeklagten Kontovollmacht erteilt hatten. Der Beschluss enthält folgenden weiteren Entscheidungstenor (Bl. 489 f. d.A.):
"Sollten diese oder weitere Beweismittel anlässlich der Durchsuchung sichergestellt werden, sind sie gemäß §§ 94, 98 StPO zu beschlagnahmen. Die Durchsuchung der Räumlichkeiten kann durch freiwillige Herausgabe der Beweisgegenstände abgewendet werden. Mit der Durchführung der Maßnahme wird die Kriminalinspektion Wittlich beauftragt."
Die Entscheidungsgründe haben neben der knappen Darstellung des Verfahrensgegenstandes folgenden Inhalt (Bl. 490 d.A.):
"Im Rahmen des laufenden Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft am 4. April 2006 ein weiteres Verfahren - 8006 Js 7936/06 - vorgelegt, welches zu dem bei der Kammer anhängigen Verfahren beigezogen worden ist. Im Rahmen des beigezogenen Verfahrens soll der Angeklagte von einem Zeugen anlässlich des Ankaufs eines Grundstücks im Herbst des Jahres 2000 10.500,-- DM "bar auf die Hand" verlangt und auch erhalten haben. Dabei soll er dem Zeugen wahrheitswidrig vorgespiegelt haben, er werde diesen Betrag an die Verkäuferin weiterleiten; der Betrag habe lediglich quasi "schwarz" über den im notariellen Kaufvertrag festgehaltenen Kaufpreis hinausgehend gezahlt werden sollen. In Wahrheit soll der Angeklagte diesen Betrag für sich behalten haben. Sollte der Angeklagte diesen Betrag tatsächlich erhalten haben, ist davon auszugehen, dass er diese 10.500,-- DM nach dem 3. November 2000 ganz oder teilweise auf eines seiner Konten oder eines der Konten seiner Ehefrau eingezahlt hat. Die Kontounterlagen sind mithin für das Verfahren als Beweismittel von Bedeutung."
Der Beschluss wurde in der Folgezeit vollzogen. Welche Unterlagen anlässlich der Durchsuchungen mitgenommen worden sind und sich bei den Akten befinden, ist dem Senat nicht bekannt. Sie befinden sich nicht bei den vorgelegten Zweitakten.
Am 16. Mai 2006 haben der Angeklagte und seine Ehefrau gegen den vorgenannten Beschluss Beschwerde erhoben, soweit durch ihn Kontounterlagen des jeweiligen Beschwerdeführers "beschlagnahmt" worden sind. Die Durchsuchungsanordnungen als solche greifen sie nicht an. Sie sind der Auffassung, die Beschlagnahmeanordnung verletze ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig und in Bezug auf die Ehefrau des Angeklagten auch willkürlich, weil sie im maßgeblichen Zeitraum noch gar nicht mit dem Angeklagten verheiratet gewesen sei. Sie sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie pauschal vorweg die Beschlagnahme aller aufgefundenen Beweismittel anordne.
Mit Beschluss vom 30....