Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 6 O 460/20)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO, ABl. EU L 119 vom 4. Mai 2016 S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahin auszulegen, dass der Verantwortliche (hier: der Versicherer) auch dann verpflichtet ist, dem Betroffenen (hier: dem Versicherungsnehmer) eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen

zu können, sondern einen anderen - datenschutzfremden, aber legitimen - Zweck (hier: die Prüfung der Wirksamkeit von Beitragserhöhungen zur privaten Krankenversicherung) verfolgt, und dies selbst dann, wenn Angaben gefordert werden, die dem Versicherten bereits im Rahmen des Beitragserhöhungsverfahrens nach § 203 VVG brieflich mitgeteilt wurden?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Gehören zu den personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO die folgenden Angaben:

a) Angaben zu Beitragsanpassungen, die der Versicherer in der privaten Krankenversicherung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer vorgenommen hat, insbesondere zum Betrag der vorgenommenen Anpassung und zu den betroffenen Versicherungstarifen und

b) der Wortlaut der Begründungen für die Beitragsanpassungen (§ 203 Abs. 5 VVG).

3. Falls die Frage 1 bejaht wird und auch Frage 2 ganz oder teilweise bejaht wird: Umfasst der Anspruch eines Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung auf Zurverfügungstellung einer Kopie der vom Versicherer verarbeiteten personenbezogenen Daten auch einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie der Nachträge zum Versicherungsschein, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer zur Mitteilung einer Beitragserhöhung übersendet hat, sowie der mitversendeten Anschreiben und Beiblätter oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Versicherten als solche gerichtet, wobei es dem datenverarbeitenden Versicherer überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Versicherungsnehmer die Daten zusammenstellt?

 

Gründe

I. Die Klägerin und die Beklagte streiten um die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit 1997 eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Nach den Versicherungsbedingungen hat die Beklagte das Recht, die Beiträge entsprechend § 203 VVG anzupassen. Voraussetzung einer wirksamen Prämienanpassung ist gemäß den Versicherungsbedingungen und § 203 Abs. 2 VVG, dass entweder die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeit sich gegenüber der Kalkulation des Versicherers um mehr als einen festgelegten Schwellenwert (5% bzw. 10%) verändern.

Nach § 203 Abs. 5 VVG wird eine Beitragsanpassung aufgrund einer Veränderung des auslösenden Faktors erst wirksam, wenn die Anpassung selbst und die dafür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt wurden.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe in den Jahren 2011 bis 2014 sowie 2016 bis 2018 unwirksame Beitragserhöhungen vorgenommen. Für die Jahre 2016 bis 2018 hat sie zum Wortlaut der jeweiligen Begründungsschreiben vorgetragen und auf dieser Grundlage die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen und die Rückzahlung zuviel gezahlter Beiträge gefordert. Für den Zeitraum von 2011 bis 2014 hat sie hingegen im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) zunächst Auskunft über die in diesem Zeitraum vorgenommenen Beitragsanpassungen und die dazu jeweils gegebenen Begründungen verlangt und zugleich eine vorläufig unbestimmte Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Beitragsanpassungen und auf Rückzahlung zuviel gezahlter Versicherungsbeiträge erhoben.

Das Landgericht hat die Klage im Ganzen abgewiesen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Koblenz verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.

Konkret verlangt die Klägerin im Rahmen der auf der ersten Stufe erhobenen Auskunftsklage, die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über alle Beitragsanpassungen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 zur Versicherungsnummer ...18 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:

  • die Höhe der Beitragserhöhungen für die Jahre 2011, 2012, 201...

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