Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 411 Abs. 2 ZPO kann das Gericht gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn der Sachverständige die gem. § 411 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist zur Vorlage des Gutachtens versäumt hat. § 411 Abs. 2 S. 3 ZPO verlangt, dass das Ordnungsgeld vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht wurde. Dies soll erst nach Rückfrage beim Sachverständigen erfolgen, verbunden mit dem Hinweis auf die Haftung für Schäden bei Verfahrensverzögerung. Für Schäden durch eine leichtfertige, Nachteile für die Prozessbeteiligten billigend in Kauf nehmende Gutachtensverzögerung haftet der Sachverständige unter Umständen neben dem das Beschleunigungsgebot verletzende Gericht (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 4.11.2010 - III ZR 32/10, NJW 2011, 1072 Rz. 22).
2. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes kommt nicht in Betracht, wenn der Sachverständige trotz mehrfach gewährter Nachfristsetzung sich für seine verspätete Vorlage des Gutachtens im Hinblick auf die Aufarbeitung von Rückständen ausreichend entschuldigt hat.
Normenkette
ZPO §§ 381, 402, 411 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 05.11.2013; Aktenzeichen 9 O 376/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen Ernst J. Storzum wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Mainz - Einzelrichterin - vom 5.11.2013 in Gestalt des teilweisen Abhilfe- bzw. Nichtabhilfeschlusses vom 16.12.2013 dahingehend abgeändert, dass der Ordnungsgeldbeschluss aufgehoben.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss vom 12.4.2013 (GA 817) zum Sachverständigen bestellt. Das Gutachten sollte binnen 3 Monaten erstattet werden (GA 319). Nach Ablauf der gesetzten Bearbeitungsfrist wurde das Gutachten nicht vorgelegt. Die nachfolgenden Sachstandsanfragen vom 26.08 (GA 846 RS) und vom 10.9.2013 (GA 862 RS) blieben unbeantwortet. Daraufhin wurde dem Sachverständigen mit Beschluss vom 24.9.2013 (GA 867) eine Nachfrist bis zum 15.10.2013 gesetzt und ihm ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1.000 EUR für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs angedroht. Mit Schreiben vom 2.10.2013 (GA 870) beantragte der Sachverständige wegen Krankheit und Urlaub, die Nachfrist bis zum 24.10.2013 zu verlängern. Mit Beschluss vom 4.10.2013 (GA 871) wurde die Frist dementsprechend verlängert. Das Gutachten ging innerhalb der verlängerten Frist nicht ein. Unter dem 5.11.2013 (GA 876) wurde gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld von 500 EUR festgesetzt und zugleich eine weitere Nachfrist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 29.11.2013 gesetzt unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 1.000 EUR für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs. Am 6.11.2013 (GA 880) ging das Gutachten bei Gericht ein. Mit Schreiben vom 12.11.2013 (GA 896) bat der Sachverständige um Aufhebung des Ordnungsgeldes gebeten, da er aus gesundheitlichen Gründen die gesetzte Frist versäumt habe. Das LG hat mit Beschluss vom 6.12.2013 (GA 898) dieses Schrieben als sofortige Beschwerde ausgelegt und seinen Beschluss vom 5.11.2013 dahingehend abgeändert, dass das gegen ihn verhängte Ordnungsgeld auf 300 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen hat es der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19.11.2013 (GA 892) keine Bedenken gegen die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses erhoben. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26.11.2013 (GA 895) die Auffassung vertreten, dass für die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses keine Grundlage bestehe, weil die mit der Ordnungsgeldandrohung verbundene bereits verlängerte Frist zum 24.10.2013 nicht eingehalten worden sei.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 411 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 409 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.
1) Das LG hat zunächst zutreffend das Schreiben des Sachverständigen vom 12.11.2013 als sofortige Beschwerde ausgelegt. Es hat der sofortigen Beschwerde nur teilweise abgeholfen, weil der Beschwerdeführer die ihm wirksam gesetzte Nachfrist bis zum 24.10.2013 versäumt habe, so dass die Ordnungsgeldfestsetzung nicht zu beanstanden sei.
Der Ordnungsgeldbeschluss sei auch nicht deshalb aufzuheben, weil der Sachverständige die ihm gesetzten Fristen nachträglich genügend entschuldigt habe. Der Beschwerdeführer habe die Fristversäumung im Schreiben vom 12.11.2013 mit gesundheitlichen Gründen begründet. Der Hinweis sei zu allgemein gehalten, um die verspätete Erstattung des Gutachtens zu entschuldigen (§ 402, 381 ZPO). Der Gutachter habe die ursprüngliche Frist bereits um 2 Monate überschritten als ihm eine Nachfrist von nochmals 4 Wochen gesetzt worden sei, die wiederum um 1 1/2 Wochen verlängert worden sei. Bereits in seinem Verlängerungsantrag sei von krankheitsbedingten Rückständen sowie Urlaub die Rede gewesen. Die Formulierung des Schreibens ließe darauf schließen, dass die Erkrankung vorüber gewesen sei und der Sachverständige dabei sei, die gelaufenen Rückstände abzuarbeiten. Über das Ausmaß der Rückstände habe der Beschwerdeführer nichts mitgeteilt. Aus dem Schreiben vom 12.11.2013 ergebe sich auch nicht, dass der Sachvers...