Leitsatz (amtlich)
Ein aus einem Vergleich Unterhaltsberechtigter hat jede nicht nur marginale Steigerung seines Verdienstes sofort unaufgefordert mitzuteilen.
Das gilt unabhängig davon, ob sich letztlich eine Reduzierung seines Unterhaltsanspruchs ergibt. Denn ob und ggf. in welchem Umfang die Einkommenssteigerung Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch hat, darf der aus einem Vergleich Unterhaltsberechtigte nicht eigenständig entscheiden. Vielmehr muss er dem Unterhaltsverpflichteten die Gelegenheit geben, die nach dem Vergleich geschuldeten Unterhaltsbeträge selbst einer Überprüfung zu unterziehen.
Normenkette
BGB § 1579 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Neuwied (Beschluss vom 29.01.2015) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin, ihr für ihre beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Neuwied vom 29.1.2015 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner vor dem Familiengericht auf Abänderung eines aus dem Jahr 2009 stammenden Nachscheidungsunterhaltsvergleichs über 450 EUR/mtl. auf monatliche Beträge zwischen weiteren knapp 400 EUR bis reichlich 450 EUR ab 1.6.2013 in Anspruch genommen. Hierbei hat sie im Wesentlichen auf ein gestiegenes unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Antragsgegners abgestellt bei weiterhin bestehenden gesundheitlichen Erwerbseinschränkungen und einem weniger stark gestiegenen Einkommen auf ihrer Seite.
Das Familiengericht hat zwar einen um knapp 200 EUR/mtl. höheren rechnerischen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bei Zugrundelegung eines Einkommens der Antragstellerin aus Vollzeittätigkeit ermittelt. Eine Abänderung des Vergleichs hat es gleichwohl auf den Verwirkungseinwand des Antragsgegners versagt, da die Antragstellerin Einkommenssteigerungen dem Antragsgegner gegenüber nicht rechtzeitig offenbart habe.
Hiergegen möchte sich die Antragstellerin wenden und beantragt Verfahrenskostenhilfe. Sie rügt im Wesentlichen, dass das Familiengericht nicht von einer Vollzeiterwerbsfähigkeit habe ausgehen dürfen und zu Unrecht eine Verwirkung angenommen habe. Des Weiteren beabsichtigt die Antragstellerin, ihren Abänderungsantrag ab 1.12.2014 zu erhöhen auf weitere 478,81 EUR/mtl. Schließlich möchte sie nunmehr auch für die Zeit nach der Laufzeit des Vergleichs, nämlich ab 1.9.2017, nachehelichen Unterhalt i.H.v. 928,81 EUR/mtl. zugesprochen haben.
II. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe war nicht zu gewähren, da die beabsichtigte Beschwerde der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.
Nach den Berechnungen in der Beschwerde würde sich der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin unter Zugrundelegung ihres tatsächlichen Einkommens aus Teilzeiterwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosen- und Krankengeld gegenüber dem im Vergleich genannten Betrag von 450 EUR/mtl. in etwa verdoppeln. Dahinstehen kann, ob dem zu folgen wäre. Denn eine entsprechende Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs hätte die Antragstellerin auf jeden Fall gem. § 1579 Nr. 5 BGB verwirkt.
Aufgrund des zwischen den vormaligen Ehegatten abgeschlossenen Vergleichs war die Antragstellerin verpflichtet, jede nicht nur marginale Steigerung ihres Nettoverdienstes über die im Vergleich genannte Verdienstgrenze von 400 EUR dem Antragsgegner sofort unaufgefordert mitzuteilen. Das hat die Antragstellerin jedenfalls in Bezug auf ihre Einkommenssteigerung ab 15.5.2013 nicht getan. Unstreitig verdiente sie ab diesem Zeitpunkt im Monat 762,72 EUR (netto). Der Arbeitsvertrag datiert vom 30.4.2013. Offenbart hat die Antragstellerin dieses zu der im Vergleich festgeschriebenen Verdienstgrenze nahezu doppelt so hohe Einkommen dem Antragsgegner erst mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 10.9.2013 (Bl. 80 f., 355 d.A.). Das war zu spät. Es trifft zwar zu, dass die Antragstellerin vor diesem Zeitpunkt ihren Abänderungsantrag noch nicht beziffert hatte. Das berechtigte sie jedoch nicht, die Informationen über ihr deutlich gestiegenes Einkommen noch zurückzuhalten. Denn diese hätte die selbst ohne ein anhängiges Gerichtsverfahren unverzüglich dem Antragsgegner eröffnen müssen.
Unerheblich ist auch, dass sich wohl trotz ihres stark gestiegenen Einkommens - ggf. unter Zugrundelegung einer ausreichenden Teilzeittätigkeit - keine Reduzierung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin ergeben hätte. Denn ob und ggf. in welchem Umfang die Einkommenssteigerung Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch hat, darf der aus einem Vergleich Unterhaltsberechtigte nicht selbst entscheiden. Vielmehr muss er dem Unterhaltsverpflichteten durch Mitteilung über die Tatsache der Arbeitsaufnahme bzw. der erweiterten Erwerbstätigkeit und die Höhe der hierdurch erzielten Einkünfte Gelegenheit geben, die nach dem Vergleich geschuldeten Unterhaltsbeträge selbst - notfalls auch in einem gerichtlichen Verfahren - einer Überprüfung zu unterziehen (vgl. BGH FamRZ 1997, 483 - Volltext in Juris, dort Tz. 11). Hierfür benötigt der Unterhaltsschuldner aber zunächst ei...