Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt. Prozesskostenhilfe. Gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen trotz Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beim Minderjährigenunterhalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegenüber seinen minderjährigen Kindern ist der barunterhaltsverpflichtete Elternteil nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und daher gehalten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um deren Unterhalt sicherzustellen. Er hat seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und ist verpflichtet, auch berufsfremde Tätigkeiten und/oder einen Ortswechsel in Kauf zu nehmen sowie zusätzlich Überstunden oder Nebentätigkeiten auszuüben. Er ist ggf. auch verpflichtet, eine selbständige Tätigkeit zugunsten einer besser bezahlten Anstellung aufzuheben, wenn dadurch der Unterhalt sichergestellt werden kann.
2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn gegen den Unterhaltsschuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet ist und deshalb nach seiner Behauptung jeder höhere Verdienst nur den Insolvenzgläubigern und nicht den unterhaltsberechtigten Kindern zur Verfügung stünde. Der Beschlagnahme unterliegen nämlich nicht die gem. § 850c ZPO pfändungsfreien Beträge.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; InsO §§ 40, 89 Abs. 2 S. 2; ZPO § 850c
Verfahrensgang
AG Westerburg (Beschluss vom 04.05.2004; Aktenzeichen 41 F 52/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Westerburg vom 4.5.2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Kläger sind die minderjährigen Kinder des Beklagten. Sie leben bei ihrer Mutter und verlangen laufenden Unterhalt in Höhe von 100% des Regelbetrages ab 01.01. 2004.
Der Beklagte hat die Zahlung bereits außergerichtlich unter Berufung auf seine Zahlungsunfähigkeit abgelehnt.
Der Beklagte hat ein weiteres, derzeit 12 Jahre altes Kind G., das einen Unterhaltstitel über laufenden Unterhalt in Höhe des Regelbetrages gegen ihn erwirkt hat und daraus auch die Vollstreckung betreibt.
Auf Antrag des Beklagten, der erhebliche Schulden hatte, ist durch Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 10.9.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden. Dieses ist mittlerweile durch Beschluss vom 13.8.2004 aufgehoben und in die Wohlverhaltensphase übergeführt worden. Eine zu verteilende Masse war nicht vorhanden. Der Beklagte war bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch abhängig beschäftigt, das Arbeitsverhältnis allerdings noch während der Probezeit zum 30.09.2002 gekündigt worden.
In der Zeit von Oktober 2002 bis Dezember 2002 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 2365,– Euro. Seit dem 01.01.2003 arbeitet er als selbständiger Handelsvertreter für eine Firma S… (Vertrieb von Fertiggaragen, Garagentoren und Antrieb). Ein Handelsvertretervertrag wurde trotz Anforderung nicht vorgelegt.
Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Worms vom 6.11.2003 ist die angebliche Forderung des Beklagten gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung des von diesem „ausgezahlten Entgeltes für seine selbständige Erwerbstätigkeit” zugunsten des Kindes G. gepfändet und überwiesen worden und zugleich der pfändungsfreie Betrag auf 840 Euro zuzüglich 2/3 des Restbetrages der auszuzahlenden Forderung bis zur Grenze des § 850c ZPO gem. § 840 d ZPO herabgesetzt worden.
Die in Form der Ich-AG und auf Anraten des Arbeitsamtes betriebene Tätigkeit wurde in den ersten 6 Monaten mit einem Überbrückungsgeld von 1291,05 Euro gefördert. Bezogen auf den Zeitraum nach Ende der Förderung bis einschließlich Juli 2004 betrugen die um die Betriebsausgaben bereinigten Provisionen durchschnittlich 879,71 EUR monatlich, der in diesem Zeitraum vom Konkursverwalter an den Beklagten pfandfrei überwiesene Betrag belief sich auf durchschnittlich 844,99 Euro. Im Zeitraum der Förderung waren die Einnahmen noch deutlich geringer.
Durch den hier angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Beklagten, der sich auf Leistungsunfähigkeit beruft, die für seine Rechtsverteidigung beantragte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht verweigert mit der Begründung, der Beklagte müsse wegen der seinen minderjährigen Kindern gegenüber bestehenden gesteigerten Erwerbsverpflichtung alle Anstrengungen unternehmen, um den Mindestunterhalt sicherzustellen. Er könne sich nicht auf seine Tätigkeit als Selbständiger berufen, sondern müsse gegebenenfalls jede andere Arbeit, auch überörtlich, annehmen. Zu entsprechenden Anstrengungen habe der Beklagte nichts vorgetragen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, die er wie folgt begründet: Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass auch alles nach der Insolvenzeröffnung erzielte Einkommen, soweit es pfändbar sei, der Insolvenzbeschlagnahme unterliege. Dementsprechend könnten Unterhaltsgläubiger während des laufenden Insolvenzverfahrens nur in den Differenzbetrag zwischen dem normalen Pfändungsfreibetrag nach § 850 c ZPO und dem gerichtlich festgesetzten notwendigen Selbstbehalt volls...