Leitsatz (amtlich)

1. Bei alleiniger elterlicher Sorge des Obhutelternteils bleibt eine von diesem für ein Kind beantragte Beistandschaft auch dann wirksam bestehen, wenn das Kind in die Obhut des anderen, nicht mitsorgeberechtigten Elternteils wechselt.

2. Ein lediglich vorübergehender Obhutwechsel berührt noch nicht in jedem Fall zwingend die Barunterhaltspflicht eines Elternteils.

3. Ein einseitige Erledigungserklärung kann gemäß dem verfahrensrechtlichen und wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers als (verdeckte) Antragsrücknahme auszulegen sein.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1606 Abs. 3, § 1713 Abs. 1, § 1715 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Koblenz

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 31.07.2017, Aktenzeichen 191 F 108/17, unter Ziffer 1 aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:

1. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

2. Der Verfahrenswert wird auf 4.689,00 EUR festgesetzt.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.400,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist der minderjährige Sohn des Antragsgegners. Er lebte zunächst im Haushalt seiner Mutter, welche das Jugendamt als Beistand mit der Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen gegenüber dem Antragsgegner beauftragt hat. Auf die vorgerichtlichen Anschreiben des Jugendamtes reagierte der Antragsgegner nicht. Daher hat das Jugendamt am 04.05.2017 das vorliegende familiengerichtliche Verfahren eingeleitet, in welchem der Antragsgegner zunächst auf Zahlung des Mindestunterhaltes für den Zeitraum ab dem 01.01.2017 in Anspruch genommen wurde. Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen und teile mit, dass der Antragsteller bereits seit dem 22.03.2017 in seinem Haushalt lebe (vgl. Melderegisterauskunft der Stadt K., Bl. 14 VKH). Auch sei er wegen ALG-II-Bezuges zu Unterhaltszahlungen finanziell nicht in der Lage.

Mit Schriftsatz vom 14.07.2017 erklärte das Jugendamt den Antrag vom 04.05.2017 daraufhin für erledigt. Der Antragsgegner hat der Erledigungserklärung widersprochen. Er ist der Meinung, dass der eingereichte Antrag von Anfang an unzulässig gewesen sei.

Das Familiengericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss die Erledigung des Verfahrens festgestellt und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Der Antragsgegner habe dadurch, dass er vorgerichtlich keine Einkommensauskünfte erteilt habe, Anlass zur Einleitung des Verfahrens geboten und daher seine Anwaltskosten selbst zu tragen.

Nachdem der Antragsgegner aufgrund der erteilten Rechtsmittelbelehrung mit Schriftsatz vom 16.08.2017 "sofortige Beschwerde" eingelegt hat, hat das Familiengericht am 21.08.2017 einen Nichtabhilfebeschluss gefasst und ergänzend darauf abgestellt, dass der Antragsgegner verpflichtet gewesen sei, den Wechsel des Kindes in seinen Haushalt mitzuteilen.

II. Das eingelegte Rechtsmittel ist als Beschwerde nach §§ 58 ff, 117 FamFG statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Es hat jedoch in der Sache nur einen Teilerfolg. Es liegt zwar kein erledigendes Ereignis vor, sondern eine Antragsrücknahme. Allerdings ist die nach § 243 FamFG getroffene Kostenentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Die vom Familiengericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung war unzutreffend.

Es handelt sich vorliegend um eine streitige Endentscheidung, nicht um isolierte Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 91a ZPO. Insoweit war das Familiengericht nach § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG auch nicht zur Abhilfe befugt, sondern hätte die Beschwerde sofort dem Senat vorlegen müssen.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur einen Teilerfolg. Das Familiengericht ist hier zu unrecht von einer Erledigung der Hauptsache ausgegangen.

a. Zwar war der gestellte Antrag entgegen der Ansicht des Antragsgegners noch nicht mangels wirksamer Vertretung des Antragstellers nach §§ 1715 Abs. 2, 1713 Abs. 1 S. 2 BGB als unzulässig abzuweisen.

Es ist hier unerheblich, dass das antragstellende Kind bereits vor Rechtshängigkeit der Unterhaltsansprüche in den Haushalt des Antragsgegners umgezogen ist. Dieser Obhutwechsel führte nicht dazu, dass der Unterhaltsantrag unzulässig wurde, da die Kindesmutter als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 3 BGB weiterhin nach § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB zur gesetzlichen Vertretung des Kindes befugt war.

Nur bei gemeinsamer elterlicher Sorge führt ein Obhutwechsel des Kindes auch zur Unzulässigkeit des Antrages bezüglich der aufgelaufenen Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor dem Obhutwechsel (OLG Koblenz MDR 2015, 836; OLG Bamberg FamRZ 2014, 2014, 2015), weil die gesetzliche Prozessstandschaft gemäß § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB hier mit dem Obhutwechsel entfällt und dies auch die rückständigen Unterhaltsansprüche erfasst (vgl. OLG Köln JAmt 2013, 165; OLG Rostock FamRZ 2012, 890; OLG Hamm FamRZ 1990, 890). Dies ...

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