Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderungsübergang nur bei zeitlicher Deckungsgleichheit von Sozialleistungsbezug und Unterhaltsberechtigung
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialleistungsträger ist eine zeitliche Deckungsgleichheit des Sozialleistungsbezugs und der Unterhaltungsberechtigung des Sozialleistungsempfängers.
Normenkette
SGB 2 § 33 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Trier (Beschluss vom 26.06.2014; Aktenzeichen 20 F 142/12) |
OLG Koblenz (Beschluss vom 23.03.2011; Aktenzeichen 9 UF 615/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Trier vom 26.06.2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aufgrund der den Antragsgegnern zu dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23.03.2011 (9 UF 615/10) erteilten Vollstreckungsklausel vom 12.09.2012 wird für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegner.
Der Verfahrenswert für beide Instanzen wird - teilweise in Abänderung der Festsetzung des AG - auf 10.319,80 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich gegen die Abweisung ihres Klauselgegenantrags durch das AG wendet, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Die Zulässigkeit des Klauselgegenantrags beruht auf § 120 FamFG i.V.m. § 768 ZPO. Für nach dem 01.09.2009 eingeleitete Vollstreckungsverfahren aufgrund eines Titels, der nach dem bis zum 01.09.2009 ergangenen Verfahrensrecht erwirkt wurde, gelten die Regelungen des FamFG (Zöller-Geimer, ZPO, 30. A., Rnr. 17 zu Einl FamFG, m.w.N.). Über § 120 FamFG findet die Vorschrift des § 768 ZPO Anwendung. Diese bezieht sich zwar unmittelbar nur auf Einwendungen des Schuldners gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel. Sie ist jedoch entsprechend anzuwenden, wenn der Altgläubiger die Wirksamkeit der Rechtsnachfolge auf einen neuen Gläubiger bestreitet, dem die Vollstreckungsklausel erteilt worden ist (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., Rnr. 1 zu § 768 ZPO). So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin als Gläubigerin des titulierten Unterhaltsanspruchs vertritt die Auffassung, ein gesetzlicher Forderungsübergang auf die Antragsgegner und damit eine Rechtsnachfolge im Sinne des § 727 ZPO sei nicht erfolgt.
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Klauselgegenantrag liegt vor, weil die Antragstellerin ein Interesse an der Feststellung des Umfangs ihrer eigenen Vollstreckungsmöglichkeiten hat.
Der Klauselgegenantrag der Antragstellerin ist begründet, denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel an die Antragsgegner nach § 727 ZPO i. V. b. § 33 Abs. 2 SGB II liegen nicht vor. Hinsichtlich der für die Zeit bis zum 31.12.2007 titulierten Unterhaltsansprüche ist keine Rechtsnachfolge der Antragsgegner eingetreten.
Soweit die Vollstreckungsklausel sich auf einen Betrag von 191,74 EUR für Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.01.2005 bis 01.12.2005 bezieht, scheidet ein Forderungsübergang schon deshalb aus, weil dieser Betrag nicht in dem titulierten Unterhaltsbetrag enthalten ist. Soweit die Antragstellerin im Jahr 2005 Sozialleistungen erhalten hat, hatte sie nämlich ihren Klageantrag nicht auf Zahlung an die Behörde umgestellt. Die entsprechenden Beträge sind deshalb von dem geltend gemachten Unterhalt in Abzug gebracht worden.
Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen eines Forderungsübergangs nach § 33 SGB II nicht vor. Die Antragsgegner vertreten die Auffassung, ein Forderungsübergang hinsichtlich des titulierten Unterhaltsanspruchs sei erfolgt, weil sie an die Antragstellerin unstreitig in der Zeit von April 2011 bis April 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 10.128,06 EUR erbracht haben. Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Zu einer cessio legis nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II kommt es dann, wenn ein Empfänger von Sozialleistungen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat und wenn bei rechtzeitiger Leistung dieses anderen die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wäre. Voraussetzung für den Forderungsübergang ist eine zeitliche Deckungsgleichheit des Sozialleistungsbezugs und der Unterhaltsberechtigung.
Zwar wird in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1999 zu der früheren Vorschrift des § 90 BSHG und in der sozialrechtlichen Literatur (BVerwG, NJW 2000, 601; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2008 - L 7 AS 5846/07 ER-B, zitiert nach juris; juris PK-SGB II - Grote-Seifert, Rnr. 47 zu § 33 SGB II) die Auffassung vertreten, ein Anspruchsübergang setze lediglich voraus, dass Einkommen oder Vermögen in der Zeit des sozialhilferechtlichen Bedarfs verfügbar sein müssen, während es nicht darauf ankomme, ob diese Mittel für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestimmt seien.
Soweit eine cessio legis von Unterhaltsansprüchen in Rede steht, hält der Senat diese Auslegung nicht für zutreffend. Bereits der Wortlaut des § 33 Abs. 1 SGB II legt nahe, da...