Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verbindlichkeit einer zu niedrig berechneten Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Unbilligkeitsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist auch dann anwendbar, wenn der Rechtsanwalt seinem eigenen Mandanten eine zu geringe Gebühr in der Absicht berechnet, dadurch eine höhere Kostenerstattung vom im Rechtsstreit unterlegenen Prozessgegner zu erlangen.

2. § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG ist im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner des Auftraggebers des Anwalts nicht anzuwenden. Die angemessene Vergütung kann in einem derartigen Fall durch den Rechtspfleger oder das Gericht im Verfahren nach § 104 ZPO bestimmt werden (hier: Umfang der auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hälftig anzurechnenden Geschäftsgebühr).

 

Normenkette

RVG § 14; RVG-VV Nrn. 2300; RVG-VV Nrn. 2301; RVG-VV Nrn. 2302; RVG-VV Nrn. 2303; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; ZPO § 104 Abs. 2, § 294; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 06.03.2009; Aktenzeichen 4 O 443/07)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin. wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 6.3.2009 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Urteil des LG Trier vom 28.1.2009 von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 1.795,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 11.2.2009 festgesetzt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 246,35 EUR.

 

Gründe

Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten hatten diesen bereits vorprozessual vertreten und die Ansprüche der Klägerin mit Sachausführungen zurückgewiesen. Im Rechtsstreit hat der Beklagte umfassend obsiegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben seine Bevollmächtigten mitgeteilt, für die vorgerichtliche Tätigkeit hätten sie dem Beklagten nur eine 0,65 Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt. Dementsprechend hat der Rechtspfleger im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die 1,3 Verfahrensgebühr lediglich um eine 0,325 Geschäftsgebühr gekürzt.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde behauptet die Klägerin, dass für die vorprozessuale Tätigkeit der Beklagtenanwälte eine 1,3 Geschäftsgebühr entstanden sei, weshalb die gerichtliche Verfahrensgebühr um 0,65 gekürzt werden müsse.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Der Erstattungsbetrag war auf den von der Klägerin nicht angegriffenen Betrag von 1.795,73 EUR herabzusetzen.

Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu 3100 ff. RVG-VV bestimmt, dass eine nach den Nr. 2300 bis 2303 entstehende Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Indem das Gesetz auf die entstehende Geschäftsgebühr abstellt, wird deutlich, dass es nicht auf die vom Anwalt in Rechnung gestellte Gebühr, sondern allein darauf ankommt, welche Gebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit tatsächlich entstanden ist.

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Unbilligkeit in diesem Sinne ist nicht nur dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt eine zu hohe Gebühr berechnet. Die Unbilligkeitsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn der Rechtsanwalt seinem eigenen Mandanten eine zu geringe Gebühr in der Absicht berechnet, dadurch eine höhere Kostenerstattung vom im Rechtsstreit unterlegenen Prozessgegner zu erlangen.

So liegt es hier. Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren belegen, dass sie die Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für völlig verfehlt halten. Berücksichtigt man weiter, dass die Sache zwar nicht umfangreich, jedoch schwierig war (grundlegende Fragen der GmbH - Geschäftsführerhaftung), steht für den Senat außer Zweifel, dass für die vorprozessuale Tätigkeit auf Beklagtenseite eine 1,3 Geschäftsgebühr entstanden ist.

Das führt zu der Frage, ob der Senat wegen der behaupteten abweichenden Berechnung durch die Bevollmächtigten des Beklagten gehalten ist, ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 RVG). Das ist zu verneinen. Mit dem Begriff des Rechtsstreits i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG ist der Gebührenprozess zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gemeint. Die Vorschrift betrifft nicht den Fall eines Rechtsstreits zwischen dem Auftraggeber des Rechtsanwalts und einem Dritten, der zur Erstattung von Verfahrenskosten verpflichtet ist (vgl. BVerwG NJW 2006, 247 - 250 und Jungbauer in Bischof et al., RVG - Kommentar, 3. Aufl., Rz. 131 zu §...

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