Leitsatz (amtlich)

Mit dem Obhutswechsel eines Minderjährigen aus dem Haushalt des einen in den des anderen Elternteils endet die gesetzliche Ermächtigung des erstgenannten Elternteils aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB rückwirkend. Ein von diesem als gesetzlicher Vertreter geltend gemachter Antrag auf Kindesunterhalt wird mit dem Obhutswechsel insgesamt unzulässig, also auch in Bezug auf vor dem Obhutswechsel fällig gewordenen Unterhalt (Anschluss an OLG Bamberg FamRZ 2014, 2014).

Prozessual bleibt der bisher alleinvertretungsberechtigte Elternteil bzw. der von ihm für das Kind bevollmächtigte Rechtsanwalt allerdings berechtigt, den (zulässigerweise begonnenen) Rechtsstreit als "Abwicklungsmaßnahme" gem. §§ 91a ZPO, 112, 113 FamFG für erledigt zu erklären. Diese Befugnis umfasst auch die Überprüfung der aufgrund der Erledigungserklärung ergangenen Kostenentscheidung und ist nicht von einer Bevollmächtigung durch den anderen Elternteil als jetziger gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen Antragstellers abhängig (Abgrenzung zu OLG Bamberg FamRZ 2014, 2014).

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 2; FamFG § 113 Abs. 1; ZPO §§ 91a, § 567 ff.

 

Verfahrensgang

AG Bad Kreuznach (Beschluss vom 16.03.2015)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 16.3.2015 teilweise abgeändert.

Die Kosten der in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten werden niedergeschlagen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.

2. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

4. Der Beschwerdewert wird auf 3.780 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. §§ 113 FamFG, 567 ff., 91a Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass der frühere, vom Kindesvater beauftragt gewesene Bevollmächtigte - Rechtsanwalt U. - trotz der wohl nicht erfolgten Bevollmächtigung durch die jetzige gesetzliche Vertreterin des Antragstellers noch berechtigt war, Beschwerde gegen die Kostenentscheidung einzulegen.

Mit dem im April 2013 vollzogenen Wechsel des minderjährigen Antragstellers in den Haushalt der Kindesmutter und seiner Ummeldung zum 1.5.2013 endet das Obhutsverhältnis beim Vater mit der Folge, dass auch dessen bisherige gesetzliche Ermächtigung aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, entfällt. Eine von dem vorher allein vertretungsberechtigten Elternteil erhobener Antrag auf Kindesunterhalt wird mit dem Obhutswechsel und dem damit verbundenen Wegfall der gesetzlichen Vertretung des Kindes unzulässig, und zwar auch rückwirkend für die bis zum Wechsel geltend gemachten Unterhaltsansprüche (herrschende Meinung; vgl.: OLG Köln, JAmt 2013, 165; OLG Rostock FamRZ 2012, 890; OLG Bamberg FamRZ 2014, 2014; Huber in MünchKomm/BGB, 6. Aufl. 2012, § 1629 Rz. 82).

Prozessual bleibt der bisher alleinvertretungsberechtigte Elternteil bzw. der von ihm für das Kind bevollmächtigte Rechtsanwalt allerdings berechtigt, den (zulässigerweise begonnenen) Rechtsstreit als "Abwicklungsmaßnahme" gem. §§ 91a ZPO, 112, 113 FamFG für erledigt zu erklären. Im Rahmen der Abwicklungsbefugnis erachtet es der Senat auch als zulässig, die vom früher vertretungsberechtigten Elternteil erteilte Vollmacht auf die Überprüfung der aufgrund der Erledigungserklärung ergangenen Kostenentscheidung zu erstrecken.

In der Sache hat die Beschwerde aber nur teilweise hinsichtlich der angefallenen Sachverständigenkosten Erfolg. Im Übrigen hat das AG die Kosten des erledigten Verfahrens zu Recht dem Antragsteller auferlegt.

Bei der in Unterhaltsverfahren nach § 243 FamFG oder nach Erledigung gem. §§ 91a ZPO, 112, 113 FamFG zu treffenden Kostenentscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der das Gericht nach Billigkeitsgesichtspunkten über die Kostenverteilung zu befinden hat. Dies hat zur Folge, dass dem Beschwerdegericht nur eine eingeschränkte Überprüfung dahingehend zusteht, ob das Familiengericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Die Überprüfungsmöglichkeit der Kostenentscheidung beschränkt sich deshalb auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs, der Ermessensüberschreitung oder eines Nichtgebrauchs, gibt dem Beschwerdegericht aber nicht das Recht, ein vom erstinstanzlichen Gericht in gesetzlicher Weise ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen.

Danach kommt eine Abänderung der Kostenentscheidung zugunsten des Antragstellers nur hinsichtlich der Sachverständigenkosten in Betracht.

Grundsätzlich hätte der Antragsteller das nach dem Obhutswechsel unzulässig gewordene Verfahren umgehend für erledigt erklären müssen. Die nach Erledigungserklärung vom Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermes...

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