Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung: Keine Schmerzensgelderhöhung wegen verzögerter Regulierung bei nachvollziehbaren Zweifeln des Haftpflichtversicherers
Leitsatz (amtlich)
1. Die unangemessene Verzögerung der Schadensregulierung durch den Haftpflichtversicherer des Arztes kann zur Genugtuung des Geschädigten Ersatzpflichten auslösen, die über das bloße Kompensationsinteresse hinausgehen. Hat der Versicherer die Haftung dem Grunde nach nicht bestritten, darüber hinaus zeitnah ein Teilschmerzensgeld gezahlt, weitere Leistungen jedoch wegen unklarer Befundlage und Zukunftsprognose zunächst vertretbar abgelehnt, sich dem Ergebnis der späteren gerichtlichen Sachaufklärung aber nicht verschlossen, kommt eine Schmerzensgelderhöhung wegen verzögerter Regulierung nicht in Betracht.
2. 37.500 EUR Schmerzensgeld, wenn Arzt nach Ulnaschaftfraktur eines 7-jährigen Kindes grob fehlerhaft eine Radiusköpfchen - Dislokation übersieht, was zu vier Folgeeingriffen und gleichwohl verbleibendem Dauerschaden führt.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 30/12) |
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:
I. Nach einem Sturz stellte sich der seinerzeit nahezu sieben Jahre alte Kläger zu 1) am 30.6.2008 im Krankenhaus der Beklagten vor. Man diagnostizierte eine linksseitige Ulnaschaftfraktur, die anschließend operativ versorgt wurde. Eine außerdem vorhandene Radiusköpfchendislokation blieb unkorrigiert. Nachdem man im Krankenhaus am 15.10.2008 die primär eingebrachte Schienung entfernt hatte, wurde dort deutlich, dass die Elle in Fehlstellung verheilt und das Radiusköpfchen in einer Verrenkungsposition belassen worden war. Es kam deshalb am 12.11.2008 zu einem Revisionseingriff, der auf eine Korrektur abzielte. Die dabei eingesetzten Kirschnerdrähte wurden am 10.12.2008 entfernt. Bei persistierenden Bewegungseinschränkungen im Bereich des linken Ellenbogens begab sich der Kläger zu 1) schließlich andernorts in Behandlung und unterzog sich am 16.4.2009 und am 30.3.2010 zwei weiteren Operationen. Trotz nachfolgender intensiver Krankengymnastik ließ sich seiner Darstellung zufolge auch langfristig kein befriedigendes Ergebnis erreichen. Das Ellenbogengelenk sei narbig und anhaltend deformiert sowie zum Teil nur unter Schmerzen beweglich. Das beeinträchtige ihn in seinen Aktivitäten und belaste auch psychisch.
Vor diesem Hintergrund hat er die Beklagte im vorliegenden, am 24.4.2012 eingeleiteten Rechtsstreit auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Gegenstand der Klage, an der sich der Kläger zu 2), sein Vater, im Hinblick auf einen durch die Beklagte veranlassten Unterhaltsmehraufwand für den Kläger zu 1) beteiligt hat, ist namentlich eine Schmerzensgeldforderung von 37.500 EUR gewesen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten hatte vorab eine immaterielle Ersatzleistung von 7.500 EUR erbracht.
Er war, nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) in einem Schreiben vom 2.8.2010 unter Vorlage eines medizinischen Gutachtens an die Beklagte herangetreten waren und um ein Haftungsanerkenntnis gebeten hatten, seinerseits unter dem 30.9.2010 mit den Ansprüchen des Klägers zu 1) konfrontiert worden. Das beschied er am 20.10.2010 dahin, dass es wahrscheinlich zu einer Ausheilung kommen werde; zur Regulierung der aufgetretenen Beschwernisse zahlte er sodann den vorgenannten Betrag von 7.500 EUR. Die Prozessvertreter des Klägers zu 1) antworteten unter dem 16.11.2010, dass dies unzureichend sei, und unterbreiteten Belege. Gleichwohl verblieb der Haftpflichtversicherer bei seiner Haltung und lehnte zusätzliche Leistungen auch ab, nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) in einem Schreiben vom 16.1.2012 auf das Ausbleiben einer Besserung hingewiesen und deshalb eine zusätzliche immaterielle Entschädigung reklamiert hatten.
Das LG hat die Beklagte nach der Erhebung von Sachverständigenbeweis in einem Teilend- und Grundurteil dem Kläger zu 1) gegenüber sowohl materiell als auch immateriell und dem Kläger zu 2) gegenüber materiell für einstandspflichtig erachtet. Ihr sei im Sinne eines groben Fehlers anzulasten, dass am 30.6.2008 - infolge einer mangelhaften Interpretation der präoperativen Röntgendiagnostik und des Versäumnisses einer intraoperativen Röntgenkontrolle - die Elle nicht richtig repositioniert worden und die Luxationsstellung des Radiusköpfchens verblieben sei. Das habe man dann auch in Unterlassung einer tauglichen postoperativen bildgebenden Untersuchung im Nachhinein zunächst längerfristig übersehen. Dadurch sei eine rasche erfolgbringende Revision unterblie...