Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten eines innerprozessualen Privatgutachtens
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines innerprozessualen Privatgutachtens sind nicht erstattungsfähig, wenn der Auftrageber nicht beweisbelastet und darüber hinaus selbst hinreichend informiert und sachkundig ist, um den anspruchbegründenden Behauptungen des Prozessgegners entgegentreten zu können.
Normenkette
ZPO § 91; BGB §§ 611, 675
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 24.04.2007; Aktenzeichen 3 HK. O 138/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 24.4.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Der Beschwerdewert beträgt 22.870 EUR.
Gründe
Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hatte die Beklagte mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, dass sie im Zuge von Ausbesserungsarbeiten an Reingas-Kanälen den erforderlichen Korrosionsschutz nicht aufgebracht habe. Dabei stützte sie sich auf einen technischen Untersuchungsbericht, den sie mit der Klageschrift vorlegte.
Um dem zu begegnen, zog die Beklagte einen Privatgutachter heran. Sie konsultierte ihn dann erneut, nachdem die Klägerin auf dessen Ausführungen mit einem ergänzenden Untersuchungsbericht repliziert hatte. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung wurde zurückgenommen. Daraufhin machte die Beklagte gegen die Klägerin Privatgutachterkosten von 19.370 EUR und 3.500 EUR geltend.
2. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung dieser Beträge zu Recht abgelehnt. Es handelt sich dabei nämlich nicht um Kosten, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich waren (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO).
a) Allerdings scheitert die Erstattungsfähigkeit der streitigen Kosten nicht schon daran, dass die Klage unabhängig von den gegen die Beklagte erhobenen sach-lichen Vorwürfen scheiterte und der Privatgutachter danach zu Fragen Stellung nahm, auf die es im Ergebnis nicht ankam. Denn das stand nicht von vornherein fest, und der Beklagten konnte nicht zugemutet werden, insoweit ein Risiko einzugehen (Senatsbeschluss 14 W 485/94 vom 2.9.1994). Die Inanspruchnahme der Klägerin scheitert aber aus anderen Erwägungen.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen für einen innerprozessual beauftragten Privatgutachter grundsätzlich nur dann zu erstatten, wenn die Partei auf dessen Hilfe angewiesen war, um ihrer Darlegungslast zu genügen, um substantiell auf das Vorbringen des Gegners erwidern zu können oder um ein für sie ungünstiges Gerichtsgutachten zu entkräften (VersR 1992, 611; OLGR 2006, 224; Beschluss 14 W 487/06 vom 11.8.2006). Davon kann hier nicht ausgegangen werden:
Voraussetzung für die erfolgreiche Inanspruchnahme der Beklagten war ein vertragliches oder deliktisches Fehlverhalten auf deren Seite. Das musste die Klägerin nachweisen und nicht etwa die Beklagte ausräumen. Ein Gerichtsgutachten, das die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe bestätigt hätte, war nicht eingeholt worden. Insofern stellt sich allein die Frage, ob die Beklagte nicht in der Lage war, dem Vorbringen der Klägerin in rechtserheblicher Weise entgegen zu treten. Das ist jedoch nicht zu erkennen.
Die Beklagte war hinreichend sachkundig, um sich zur Güte der von ihr ausgeführten Arbeiten zu äußern. Demgemäß hatte sie auf den mit der Klageschrift eingereichten technischen Untersuchungsbericht schon von sich aus qualifiziert geantwortet und dabei auf die Behauptung der Klägerin, den Korrosionsschutz nicht aufgetragen zu haben, nachdrücklich mit gegenläufigen Zeugnisangeboten sowie begleitend mit dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigenbeweises erwidert. Das hätte prozessual nicht übergangen werden dürfen. Insofern war die Beklagte gehalten, den Ausgang einer entsprechenden Beweisaufnahme abzuwarten. Es ist kein greifbarer Anhalt dafür vorhanden, dass ein gerichtlicher Sachverständiger nicht zu den Ergebnissen hätte gelangen können, die der Privatgutachter der Beklagten herausarbeitete. Dessen Einschaltung wäre allenfalls dann angezeigt gewesen, wenn sich dies wider Erwarten nicht ergeben hätte.
3. Der Kostenausspruch beruht auf Nr. 1812 GKG-KV, § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1813017 |
JurBüro 2007, 652 |
OLGR-West 2008, 41 |