Leitsatz (amtlich)
1. Begibt sich der (später) Geschädigte bewusst in der Absicht einer Selbstschädigung auf die Fahrbahn einer Landstraße, trägt er damit derart massiv schuldhaft zu dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls bei, dass im Rahmen der Haftungsabwägung die Betriebsgefahr des Pkw vollständig zurücktritt.
2. Ein Fahrzeugführer muss nicht damit rechnen, dass auf einer Landstraße ein dunkel gekleideter Fußgänger absichtlich, unerwartet und unmittelbar vor oder neben das heranfahrende Fahrzeug tritt, so dass er auf ein solches Ereignis seine Geschwindigkeit nicht ausrichten muss.
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 160/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 15.04.2021, Az.: 2 O 160/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.10.2021.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verkehrsunfall dadurch zustande gekommen ist, dass der Kläger absichtlich auf die Fahrbahn getreten ist oder ebenfalls absichtlich so dicht neben der Fahrbahn gelaufen ist, dass ihn das von dem Beklagten zu 1. geführte Fahrzeug erfasst hat. Das Landgericht ist insoweit von einem überragenden Mitverschulden (§ 9 StVG i. V. m. § 254 BGB) des Klägers ausgegangen hinter dem es die von dem Pkw des Beklagten zu 1. ausgehende Betriebsgefahr hat vollständig zurücktreten lassen.
Dies ist von Seiten des Senats nicht zu beanstanden.
Was die durchgeführte Beweiswürdigung angeht, hat der Senat bei seiner Entscheidung die von dem Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtig- und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dieser Maßstab gilt auch für die Beanstandungen der Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts. Auch insofern müssen mit der Berufung schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an den erhobenen Beweisen aufzeigen, so dass sich eine erneute Beweisaufnahme gebietet (OLG Koblenz in r+s 2011, 522). Vorliegend sind keine Fehler des Landgerichts bei der erfolgten Würdigung der erhobenen Beweise erkennbar. Die von dem Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist umfassend, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze und ist insgesamt auch nach der eigenen Würdigung des Senats in der Sache vollumfänglich zutreffend.
Die Zeugin G. hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2021 ausgesagt, nachdem es in ihrem Pkw auf der Fahrt zum Bahnhof zu einem heftigen Streit gekommen sei, habe sie angehalten und den Kläger aussteigen lassen. Nachdem der Kläger ausgestiegen sei, habe er dann die ganze Zeit immer wieder angerufen und verlangt, dass sie zurückkomme. Schließlich sei es zu einem Anruf gekommen in dessen Verlauf der Kläger gesagt habe "da kommt ein Auto, da kommt ein Auto". Sie habe dann einen Schlag gehört und genau gewusst, dass etwas passiert sei. Es sei auch so gewesen, dass sich der Kläger bereits ca. einen Monat vor dem Unfall das Leben habe nehmen wollen. Dies weil sie sich damals von ihm habe trennen wollen. Der Kläger habe sich damals auch "aufgeritzt" und ihr entsprechende Bilder geschickt, auf denen "der Arm blutig heruntergehangen habe". Auch habe der Kläger nach dem Unfall ihr gegenüber noch einmal angedroht sich umzubringen. Er habe hierbei angekündigt, sich eine Überdosis Insulin spritzen zu wollen. Auch könne sie sagen, dass wenn der Kläger "umgeswitcht" sei, er dann teilweise nicht mehr gewusst habe, was er tat. Er sei dann überhaupt nicht mehr zu erreichen gewesen und habe nicht mehr vernünftig reagiert. In einem solchen Zustand habe er sie auch einmal bewusstlos geschlagen.
Das Landgericht hat ausführlich, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, weshalb es die Aussage der Zeugin G. als uneingeschränkt glaubhaft angesehen hat. So habe die Zeugin die Geschehnisse des Unfalltages sehr detailreich wiedergegeben und auch Angaben zum Randgeschehen gemacht. Auch habe sich ihre Aussage, die sie vor Gericht gemacht habe, mit der aus der polizeilichen Vernehmung vom 15.04.2019 gedeckt. Dem stehe nicht entgegen, dass sie sich an ihre Aussage auf der Polizeiinspektion, der Kläger habe ihr mitgeteilt, er hätte auf der Straße gelegen und sei dann wieder aufgestanden, nicht mehr erinnern konnte. Es spreche vielmehr gerade für die Glaubwürdigkeit der Zeugin, das...