Haben Fahrradfahrer dieselben Vorrechte wie Fußgänger, wenn sie über einen Zebrastreifen fahren?
Eine Fahrradfahrerin querte eine Straße auf einem Fußgängerüberweg. Dabei kam es zur Kollision mit einem Auto. Die Klägerin, die Ehefrau des Autofahrers, machte die Radfahrerin für den Unfall verantwortlich und forderte von der beklagten Fahrradfahrerin Schadensersatz für den am Fahrzeug entstandenen Schaden. Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden.
Fahrradfahrerin hätte auf das Auto Rücksicht nehmen müssen
Das Amtsgericht Würzburg entschied, dass die beklagte Fahrradfahrerin schuldhaft das Eigentum der Klägerin beschädigt hat und deshalb nach § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz haftet. Die Radfahrerin sei über den Fußgängerüberweg gefahren, ohne auf den einbiegenden Pkw der Klägerin Rücksicht zu nehmen.
Allerdings hafte auch die Klägerin nach § 7 Abs. 1 StVG. Die Klägerin müsse sich nämlich im Rahmen der Abwägung nicht nur eigene Verkehrsverstöße, sondern auch die Betriebsgefahr ihres Kfz zurechnen lassen, auch wenn die Beklagte nur aus Verschulden hafte.
Wer mit dem Fahrrad fährt, hat bei der Überquerung von Zebrastreifen kein Vorfahrtsrecht
Die Fahrradfahrerin habe vor dem Pkw die Fahrbahn überquert, obwohl sie wartepflichtig gewesen sei. Sie könne sich nicht auf ein Vorfahrtsrecht nach § 26 Abs. 1 StVO berufen. Denn sie ist nicht zu Fuß über den Fußgängerweg gegangen, sondern mit dem Fahrrad gefahren. Das Gesetz spreche in § 26 Abs. 1 StVO ausdrücklich von zu Fuß gehenden. Explizite Ausnahme: Fahrer von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen.
§ 26 Abs. 1 StVO: An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten.
Autofahrer haftet aus Betriebsgefahr des Pkw und wegen Verstoßes gegen Gebot der Rücksichtnahme
Die Klägerin müsse sich allerdings neben der Betriebsgefahr Pkws, die über der des Fahrrades liege, einen erheblichen Verstoß gegen § 1 Abs. 1; Abs. 2 StVO anrechnen lassen. Zwar hatte ihr Ehemann Vorfahrt. Er habe jedoch derart schwer gegen das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme verstoßen, dass er bzw. die Klägerin sich ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen müsse. Nach § 1 Abs. 2 StVO war er verpflichtet, den gesamten vor ihm liegenden Fahrbahnraum zu beobachten, so das Gericht. Wäre er nämlich aufmerksam gewesen, hätte er die Fahrradfahrerin und ihre offensichtliche Absicht, den Fußgängerüberweg zu überqueren, erkennen können.
(AG Würzburg, Urteil v. 24.05.2023, 30 C 1164/21)
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