Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Zeugenbeweis zur Entkräftung der Operationsindikation; vorübergehende Sichtbeeinträchtigung durch starke intraoperative Blutung kein grober Behandlungsfehler
Leitsatz (amtlich)
1. War nach den ärztlich gesicherten Befunden eine Wirbelsäulenoperation geboten, darf ein Zeugenbeweisantrag (hier: Ehefrau des Patienten) abgelehnt werden, durch den im Haftpflichtprozess nachgewiesen werden soll, dass keinerlei operationspflichtige Ausfälle und Beschwerden bestanden. Entweder hat der Zeuge das den Ärzten mitgeteilte Beschwerdebild nicht wahrgenommen oder der Patient hat bei der ärztlichen Anamnese aggraviert, so dass es am Verschulden der Behandlungsseite fehlt, wenn ihr dies aus nicht vorwerfbaren Gründen verborgen geblieben ist.
2. Mit dem Vorwurf, die bei einer Operation unvorhersehbar aufgetretenen starken Blutungen seien vor Weiterführung des Eingriffs nicht unterbunden worden, wodurch das Operationsfeld nicht hinreichend einsehbar gewesen sei, lastet der Patient dem Arzt eine Unterlassung an, deren Ursächlichkeit die Feststellung erfordert, dass pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Ein grober Behandlungsfehler kann in einem derartigen Fall nur angenommen werden, wenn ein zureichender Anhalt dafür besteht, der Arzt habe nicht "auf Sicht" operiert.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 823; ZPO §§ 284, 286, 373
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 24.04.2013; Aktenzeichen 4 O 237/11) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier Koblenz vom 24.4.2013 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, es sei denn, der Beklagte leistet entsprechende Sicherheit.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 86.083,47 EUR (20.000 EUR Schmerzensgeld + 61.283,47 EUR materieller Schaden + 4.800 EUR Feststellungs- antrag).
Gründe
Die Berufung ist aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 18.9.2013 unbegründet. Dort hat der Senat, der ergänzend auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ebenso Bezug nimmt wie auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze, folgendes mitgeteilt:
"1. Der 1943 geborene Kläger nimmt den beklagten Verein als Krankenhausträger auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch. Daneben möchte er die Ersatzpflicht des Beklagten für entsprechende Zukunftsschäden festgestellt haben. Durch eine am 27.5.2010 durchgeführte Wirbelsäulenoperation sieht der Anspruchsteller sich schwerwiegend und dauerhaft geschädigt. Er wirft den beim Beklagten tätigen Ärzten Aufklärungsversäumnisse und Operationsfehler vor.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
2. Das LG hat zum Inhalt der Aufklärung Ärzte als Zeugen befragt und außerdem den Sachverständigen Dr. W. zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich angehört. Hiernach hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Eingriff sei durch eine wirksame Einwilligung des umfassend aufgeklärten Patienten gerechtfertigt gewesen. Selbst wenn man ein Aufklärungsdefizit sehe, greife jedenfalls eine hypothetische Einwilligung des Klägers, dessen beabsichtigte persönliche Anhörung an seinem dauerhaft angegriffenen Gesundheitszustand gescheitert sei. Dass es bei dem Eingriff zu Komplikationen in Form einer starken Blutung sowie einer Nervschädigung gekommen sei, erlaube nach den überzeugenden Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht die Annahme eines ärztlichen Fehlers.
3. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung unter Beibehaltung seiner erstinstanzlichen Anträge auf
a. Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen,
b. Zahlung materiellen Schadensersatzes von 61.283,47 EUR, ebenfalls nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
c. Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergeht (Bl. 187/188 GA).
Der Kläger wiederholt, über die Chancen einer Weiterführung der konservativen Therapie nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Bei der hypothetischen Einwilligung habe das LG die medizinischen Fakten einseitig zu seinem Nachteil gewertet. Letztlich liege ein vorwerfbarer Fehler darin, dass man die Operation weitergeführt habe, ohne zuvor die starke Blutung zu unterbinden, was die Einsehbarkeit der Operationsfeldes in schadensursächlicher Weise erschwert habe.
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des LG.
4. Das Rechtsmittel erscheint aussichtlos. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a. Der Senat sieht kein Aufklärungsversäumnis darin, dass der Kläger nach seiner eigenen heutigen Einschätzung nicht über die Chancen einer Weiterführung ...