Entscheidungsstichwort (Thema)

Ärztliche Aufklärungspflicht vor laparoskopischer Leistenbruchoperation - TEPP/TEP vs. TAPP

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine total extraperitoneale Hernioplastik (TEPP/TEP) ist gegenüber einer trans- abdominellen präperitonealen Hernioplastik (TAPP) mit geringeren, allerdings anderen Risiken behaftet. Daher muss ein Patient über beide Methoden auch dann aufgeklärt werden, wenn die alternativ in Betracht kommende im jeweiligen Krankenhaus nicht praktiziert wird.

2. Dass im vorgedruckten Text eines Aufklärungsbogens davon die Rede ist, der Patient sei über die "Wahl des Operationsverfahrens, Vor- und Nachteile gegenüber anderen Methoden" aufgeklärt worden, beweist nicht, dass die konkret gebotene Sachinformation erfolgt ist.

3. Für die Folgen einer Operation, die mangels vollständiger Aufklärung rechtswidrig war, haftet ein assistierender Chirurg nicht, sofern er davon ausgehen durfte, der Eingriff sei durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gerechtfertigt.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 278, 280, 611, 823, 831; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 02.07.2013; Aktenzeichen 2 O 159/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weiter greifenden Rechtsmittels das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 2.7.2013 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

a. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit der Kläger von den Beklagten zu 1) und 2) materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten beansprucht.

b. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche nicht von den bezifferten Anträgen (vorstehend a.) umfassten künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf der Leistenbruchoperation vom 21.8.2007 beruhen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

c.. Die gegen die Beklagten zu 3) und 4) gerichtete Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die in beiden Instanzen entstandenen Kosten der Beklagten zu 3) und 4) zu tragen; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 1) und 2) dürfen die die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern der Kläger nicht ent-sprechende Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.1. Der 1962 geborene Kläger, zumindest bis 2007 aktiver Rudersportler, nimmt die beklagte Krankenhausträgergesellschaft und drei im Krankenhaus tätige Ärzte auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Daneben möchte er festgestellt haben, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch auch für Zukunftsschäden haften.

Am 21.8.2007 operierte der Zweitbeklagte unter Assistenz der Drittbeklagten beim Kläger einen Leistenbruch (links ohne Anzeichen einer Einklemmung). Dem in TAPP - Technik minimalinvasiv durchgeführten Eingriff waren Beratungs- und Aufklärungsgespräche am 23.7. und 13./14.8.2007 vorausgegangen. Die Gespräche am 23.7. und 13.8.2007 führte der Zweitbeklagte, das Gespräch am 14.8.2007 die Zeugin Dr. med. H. mit dem Kläger (Bl. 70 GA).

Die zunächst für den 14.8.2007 geplante Operation wurde unter der Verdachtsdiagnose Infekt/Enteritis auf den 21.8.2007 verschoben.

Bei scheinbar problemlosem postoperativem Verlauf wurde der Kläger am 22.8.2007 aus der stationären Behandlung entlassen. Bereits in den Abendstunden desselben Tages traten Schmerzen im Bauchbereich und Unwohlsein auf. Dem hausärztliche Rat vom 23.8.2007 folgend, stellte der Kläger sich noch in den Morgenstunden desselben Tages in der Notfallambulanz des beklagten Krankenhauses vor, wo ihn die Drittbeklagte untersuchte. Sie veranlasste u.a. eine Kurzinfusion mit Buscopan/Novalgin® und entließ den Kläger in vermeintlich gebessertem Zustand erneut nach Hause. Dort traten in den Nachmittagsstunden trotz Schmerzmitteleinnahme starke Unterbauchbeschwerden ein. Der herbeigerufene Notarzt veranlasste die Wiederaufnahme in das Krankenhaus, wo die vom Viertbeklagten durchgeführte Untersuchung zur erneuten stationären Aufnahme des Klägers führte. Die weiteren Untersuchungen und Befunderhebungen mündeten in einen Revisionseingriff, der kurz vor 24.00 Uhr am 23.8.2007 begonnen wurde und eine Dünndarmperforation als Ursache der Beschwerden offenbarte. Die Dünndarmperforation, zu der es bei der TAPP - Operation am 21.8.2007 gekommen war, wurde übernäht. In Erweiterung des Revisionseingriffs entfernte der Viertbeklagte am 23.8.2007 Divertikel und ein ca. 7 cm langes Dünndarmstück. An die nachfolgende intensivmedizinische Überwachung und Betreuung bis zum 27.8.2007 schloss sich eine am 31.8.2007 beendete Behandlung auf der allgemeinen Station an.

Eine am 30.5.2008 festgestellte Narbenhernie im Bereich des ersten Operationszugangs führte zu einer dritten Operation, bei der am 23.6.2008 eine Netz...

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