Leitsatz (amtlich)
1. Werden in einen Vergleich die Gegenstände zweier Gerichtsverfahren einbezogen, entsteht nur eine Einigungsgebühr, und zwar aus dem zusammengerechneten Gegenstandswert beider Verfahren.
2. Ist über einen Verfahrensgegenstand allerdings sowohl ein Hauptsacheverfahren als auch ein parallel laufendes Eilverfahren anhängig und vergleichen sich die Beteiligten, so fällt grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren eine Einigungsgebühr aus dem alleinigen Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens an.
Normenkette
FamFG §§ 49, 56; RVG-VV Nr. 1000
Verfahrensgang
AG Bad Sobernheim (Beschluss vom 23.06.2015) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Sobernheim vom 23.06.2015 abgeändert und der Wert auch für den Vergleich auf 3.000 EUR festgesetzt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Eltern des am 20.01.2006 geborenen Sohnes L.; die elterliche Sorge steht beiden Beteiligten gemeinsam zu.
Mit Antrag vom 27.02.2015 begehrte die Antragstellerin im vorliegenden Hauptsacheverfahren (21 F 79/15 AG Bad Sobernheim) die Übertragung der Teilbereiche "Gesundheitsfürsorge" und "schulische Belange" auf sich allein. Mit Antrag vom 16.04.2015 begehrte sie außerdem im Wege der einstweiligen Anordnung (21 F 133/15 AG Bad Sobernheim), ihr wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber dem Klinikum Idar-Oberstein, betreffend den Sohn L., zu erteilen. Mit Beschluss vom 17.04.2015 (21 F 133/15) hat das AG - über diesen Antrag hinausgehend - das Recht der Gesundheitsfürsorge für L. einstweilen auf die Antragstellerin übertragen. Der Antragsgegner hat nach Zustellung dieses Beschlusses Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2015 in der Hauptsache (21 F 79/15) haben die Beteiligten folgende Vereinbarung geschlossen:
"Der Antragsgegner verpflichtet sich, der Antragstellerin eine Vollmacht zu erteilen für den Teilbereich der Gesundheitsfürsorge für den gemeinsamen Sohn L.
Im Übrigen sind sich die Parteien darüber einig, dass der Beschluss des AG Bad Sobernheim im Verfahren 21 F 133/15 sich erledigt hat.
Es soll wieder beiden Parteien das Recht der Gesundheitsfürsorge für das gemeinsame Kind L. zustehen.
..."
Anschließend hat das AG über die Kosten des Hauptsacheverfahrens entschieden.
Unmittelbar danach wurde das einstweilige Anordnungsverfahren (21 F 133/15) aufgerufen. Dort ist der Beschluss vom 17.04.2015 aufgehoben worden, "da die beiden Parteien darüber einig sind, dass das Recht der Gesundheitsfürsorge wieder gemeinsam ausgeübt werden soll"; sodann traf das AG auch hier eine Entscheidung über die Kosten.
Der Gegenstandswert wurde im Hauptsacheverfahren auf 3.000 EUR und im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf 1.500 EUR festgesetzt. Für beide Verfahren wurde beiden Beteiligten jeweils Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Mit Beschluss vom 23.06.2015 hat das AG im Hauptsacheverfahren den Verfahrenswert für den Mehrvergleich auf 6.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 14.10.2015 beim AG eingegangene Beschwerde der Staatskasse, die die Meinung vertritt, ein Vergleichsmehrwert sei nicht gegeben.
II. Die von der Bezirksrevisorin im Namen der Staatskasse eingelegte Beschwerde ist nach § 59 Abs. 1 FamGKG statthaft und auch im Übrigen zulässig, da die Staatskasse bei einer zu hohen Wertfestsetzung beiden im Verfahren im Wege der Verfahrenskostenhilfe nach § 121 ZPO beigeordneten Rechtsanwälten zu viel vergüten müsste. Der Beschwerdewert von 200 EUR ist überschritten.
Das Rechtsmittel ist auch begründet; der Gegenstandswert für den Vergleich ist nicht höher als der Wert der Hauptsache.
Unstreitig ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dann, wenn die Beteiligten eine Einigung erzielt haben, in die die Gegenstände zweier Verfahren einbezogen sind, (nur) eine Einigungsgebühr entsteht, die aus dem zusammengerechneten Gegenstandswert beider Verfahren berechnet wird (vgl. etwa Feskorn in Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, D. Anwaltsvergütung Rn. 86, zitiert nach juris). Ob dies auch gilt, wenn die Einigung sowohl die Hauptsache als auch ein ebenfalls anhängiges paralleles Anordnungsverfahren umfasst, ist umstritten (nur Hauptsachewert: z.B. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Anhang II Rn. 44, 45; OLG Hamm, Rpfleger 2009, 53; wohl ebenso Saarländisches OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1973; zusammengerechneter Wert: z.B. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., VV 1000 Rn. 21 "Arrest, einstweilige Verfügung"; OLG Düsseldorf, JurBüro 2005, 310).
Der Senat schließt sich der ersten Meinung an. Wenn in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowohl ein Hauptsacheverfahren als auch ein parallel laufendes Eilverfahren anhängig sind und in der mündlichen Verhandlung eine endgültige Einigung getroffen wird, so fällt grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren ei...