Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines VOB/B - Vertrages durch Landkreis wegen verzögerten Baubeginns; Anforderungen an die Darlegung der Mehrkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Sind einem Beigeordneten die Geschäftsbereiche Bauverwaltung, Schulen und Hochbau zur Leitung übertragen, ist er dadurch wirksam bevollmächtigt, für den Landkreis Vertragserklärungen abzugeben, die einen Bauauftrag für Putzarbeiten in einer Schule betreffen. Daneben kann die Fristsetzungsbefugnis eines Fachbereichsleiters für das Gebäudemanagement sich daraus erschließen, dass die Nichtbeachtung seiner Erklärungen den Landrat veranlasst, darauf die Vertragskündigung zu stützen.
2. Welche Anforderungen an die Mehrkostenaufstellung nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B zu stellen sind, hängt vom konkreten Kontroll- und Informationsinteresse des Auftragnehmers ab. Ist der Nachunternehmer auf einer identischen, durch öffentliche Ausschreibung vorgegebenen Vertragsgrundlage als zweitgünstigster von insgesamt 15 Bietern tätig geworden, kann das ausreichen, die konkreten Mehrkosten des Auftraggebers darzutun.
Normenkette
BGB §§ 164, 249, 254, 280-281, 649; VOB/B § 4 Nr. 3, § 5 Nr. 4, § 8 Nr. 3 Abs. 2, Nr. 4, § 14; LKO Rheinland-Pfalz §§ 43-44
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 9 O 193/11) |
Gründe
Es ist beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:
I. Der klagende Landkreis hatte Innenputzarbeiten für den Neubau einer Realschule ausgeschrieben, mit denen am 4.4.2011 begonnen werden sollte; ihr Abschluss war bis zum 1.6.2011 vorgesehen. Die Beklagte erhielt den Zuschlag auf der Grundlage eines Angebots, das auf 252.296,74 EUR lautete. Dieserhalb liegt ein schriftlicher Auftrag vom 21./23.3.2011 nach Maßgabe der VOB/B vor, der auf Seiten des Klägers von dessen Beigeordnetem Adam S. unterzeichnet wurde.
Die Beklagte führte am 31.3.2011 eine Ortsbesichtigung durch und meldete daraufhin mit Schreiben vom 5.4.2011 Ausführungsbedenken an, die der Kläger indessen unter dem 6.4.2011 zurückwies. Gleichzeitig forderte seine Bauleitung die Beklagte auf, ihre Arbeiten spätestens bis zum 11.4.2011 aufzunehmen. Als das ergebnislos geblieben war, wurde am 12.4.2011, verbunden mit der Androhung des Auftragsentzugs und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, "eine letzte Nachfrist" bis zum 14.4.2011 gesetzt. An diesem Tag kam es dann zu einem Gespräch der Parteien. Dabei ließ sich der Kläger seiner Darstellung nach auf einen Aufschub bis zum 18.4.2011 ein. Gemäß dem Vorbringen der Beklagten gab es eine solche Abrede nicht, stattdessen habe man sich geeinigt, "die zuvor gesetzten Fristen außer Kraft zu setzen".
Am 19.4.2011 erklärte der Kläger durch den Landrat per Fax die Vertragskündigung und machte Schadensersatzansprüche geltend. Unterdessen war die Beklagte mit mehreren Mitarbeitern auf der Baustelle erschienen. Sie stellte dann am Folgetag ihrerseits Ausgleichsforderungen in den Raum.
Der Kläger beauftragte einen anderen Verputzerbetrieb, der im Ausschreibungs- verfahren als Mitbewerber aufgetreten war. Das geschah auf der Basis eines um 33.806,13 EUR höheren Werklohns, als er mit der Beklagten vereinbart worden war. Dieser - von dem Kläger bei der Antragstellung um 1 EUR zu hoch bezifferte - Differenzbetrag ist nebst Zinsen eingeklagt worden.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf behauptete Vertretungsmängel auf Seiten des Klägers eine vertragliche Bindung der Parteien und hilfsweise die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bestritten. Zudem hat sie deren sachliche Berechtigung verneint.
Das LG hat dem Klageverlangen - in Korrektur des Rechenfehlers des Klägers - entsprochen. Dabei ist es von seiner Anspruchsberechtigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgegangen: Es sei, jedenfalls aufgrund einer in der Kündigungserklärung vom 19.4.2011 liegenden Genehmigung von Seiten des Landrats, zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen. Die Beklagte habe den Termin zum Arbeitsbeginn trotz dessen mehrfacher Verschiebung ohne Rechtfertigung verstreichen lassen. Deshalb hafte sie dem Kläger für die entstandenen Mehrkosten. Dass insoweit noch keine Abrechnung vorhanden sei, stehe dem nicht entgegen.
Das greift die Beklagte mit der Berufung an. Sie beantragt die Abweisung der Klage, die unbegründet sei, zumindest aber derzeit keinen Erfolg habe. Die vom LG herangezogene Anspruchsgrundlage trage nicht, da der Vertragskündigung des Klägers keine wirksame Fristsetzung zur Arbeitsaufnahme vorausgegangen sei. Der ausgeurteilte Mehrkostenbetrag lasse sich nicht nachvollziehen und sei überhöht. Er könne im Übrigen auch erst nach Vorlage einer prüfbaren Schlussrechnung des beauftragten Ersatzun...