Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines VOB/B - Vertrages durch Landkreis wegen verzögerten Baubeginns; Anforderungen an die Darlegung der Mehrkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Sind einem Beigeordneten die Geschäftsbereiche Bauverwaltung, Schulen und Hochbau zur Leitung übertragen, ist er dadurch wirksam bevollmächtigt, für den Landkreis Vertragserklärungen abzugeben, die einen Bauauftrag für Putzarbeiten in einer Schule betreffen. Daneben kann die Fristsetzungsbefugnis eines Fachbereichsleiters für das Gebäudemanagement sich daraus erschließen, dass die Nichtbeachtung seiner Erklärungen den Landrat veranlasst, darauf die Vertragskündigung zu stützen.
2. Welche Anforderungen an die Mehrkostenaufstellung nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B zu stellen sind, hängt vom konkreten Kontroll- und Informationsinteresse des Auftragnehmers ab. Ist der Nachunternehmer auf einer identischen, durch öffentliche Ausschreibung vorgegebenen Vertragsgrundlage als zweitgünstigster von insgesamt 15 Bietern tätig geworden, kann das ausreichen, die konkreten Mehrkosten des Auftraggebers darzutun.
Normenkette
BGB §§ 164, 249, 254, 280-281, 649; VOB/B § 4 Nr. 3, § 5 Nr. 4, § 8 Nr. 3 Abs. 2, Nr. 4, § 14; LKO Rheinland-Pfalz §§ 43-44
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 30.03.2012; Aktenzeichen 9 O 193/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Mainz vom 30.3.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die gegen gerichtete Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn der Kläger nicht seinerseits Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags stellt.
Gründe
I. Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich außer aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils aus dem Senatsbeschluss vom 22.6.2012; darauf wird Bezug genommen. In dem vorgenannten Beschluss sind auch die maßgeblichen rechtlichen Erwägungen niedergelegt worden. Mit Blick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 6.7.2012 ist ergänzend zu bemerken:
1. Die Vertragskündigung von Seiten des Klägers wurde durch §§ 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 und 5 Nr. 4 VOB/B getragen. Die Arbeitsaufnahme war definitiv für den 4.4.2011 vorgesehen ("ist zu beginnen"). Als das missachtet wurde, brachten die verantwortlichen Stellen des Klägers am 06.04., am 12.04. und am 14.4.2011 unmissverständlich zum Ausdruck, dass der vorgegebene Zeitplan keinen Spielraum eröffnete. Damit einhergehend wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die von ihr angemeldeten Bedenken keine Veranlassung dazu geben konnten zuzuwarten. Bis zur Erklärung der Vertragskündigung am 19.4.2011 (Übermittlung per Fax um 11.08 Uhr) fehlte es an Anzeichen für eine jedenfalls nunmehr zügige Arbeitsausführung durch die Beklagte. Es ist unbestritten, dass sie erst danach (Klageschrift S. 4 = Bl. 4 GA: "gegen 11.30 Uhr"; Klageerwiderungsschrift S. 11 = Bl. 32 GA: "am Vormittag") mit Kräften auf der Baustelle erschien. Das entspricht den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils.
Die - am 19.4.2011 eingetretenen - Wirkungen der Vertragskündigung ließen sich durch den späteren Geschehensablauf nicht mehr außer Kraft setzen. Insofern ist ohne Belang, welche Fristen zwischen der Klägerin und der Z. GmbH vereinbart und ob diese Fristen am Ende respektiert wurden. Im Übrigen stand in erster Instanz außer Frage, dass die Z. GmbH, anknüpfend an die einheitliche Ausschreibung, zu den gleichen Bedingungen wie die Klägerin tätig wurde. Eben das ergibt sich auch aus dem vorliegenden, an sie erteilten Auftrag vom 20./21.4.2011 (Anlage 8 zur Klageschrift).
2. Der - grundsätzlich kongruenten - Auftragsvergabe an die Z. GmbH ist nach den Feststellungen des LG eine vollständige Arbeitsausführung nachgefolgt, über die vertragskonform abgerechnet wurde. Das geschah zu angemessenen Preisen, wie sie von einer Fülle anderer Bewerber nicht hatten angeboten werden können. Ein günstigerer Konkurrent war nicht in Sicht. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin mit ihrem Vorbringen dem konkreten Kontroll- und Informationsinteresse des Beklagten (BGH BauR 2006, 117) gem. § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B genügt.
Fundstellen
Haufe-Index 3477324 |
NJW-RR 2013, 138 |
NZBau 2013, 36 |