Leitsatz (amtlich)

Ausnahme für Abführungspflicht von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. entfällt, wenn nicht fristgerecht Insolvenzantrag gestellt wird.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 534/09)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 31.1.2011.

 

Gründe

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg:

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung:

Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist zulässig und begründet, weil die von ihr zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung gegen den Beklagten bis zur Höhe von 29.737,60 EUR eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S.v. § 302 Nr. 1 InsO ist. Hinsichtlich dieses Betrages haftet der Beklagte wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

Der Beklagte kann sich vorliegend auf die von ihm angeführte Rechtsprechung des BGH, nach welcher der Geschäftsführer einer GmbH nicht wegen Vorenthaltung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nach § 266a StGB bestraft werden kann, wenn er während des Laufs der Insolvenzantragsfrist nach § 64 Abs. 1 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherung unterlässt (vgl. Beschluss v. 30.7.2003, 5 StR 221/03), nicht berufen.

Zunächst einmal kann nicht festgestellt werden, ob die dreiwöchige Insolvenzantragsfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt nicht schon abgelaufen war. Soweit der Beklagte nunmehr geltend macht, Zahlungsunfähigkeit sei erst am 2.6.2004 nach Versagung weiteren Kredites durch die bislang kreditgebenden Banken eingetreten, so handelt es sich um neuen, an sich gem. §§ 529, 531 ZPO nicht mehr zu berücksichtigenden Sachvortrag, der zudem den erstinstanzlichen Feststellungen widerspricht. Erstinstanzlich war zwischen den Parteien unstreitig, dass bereits im Mai 2004 Lohn- und Gehaltrückstände bestanden. Wann genau Insolvenzreife eingetreten ist, lässt sich anhand des Vortrags der Parteien nicht feststellen, so dass auch nicht festgestellt werden kann, ob die von § 64 Abs. 1 GmbHG gewährte Frist von 3 Wochen nicht bereits verstrichen war, als der Beklagte die Vorauszahlungen für einen bevorstehenden Auftrag leistete, statt das Geld für die in Kürze fällig werdende Forderung der Klägerin zurückzuhalten. Dies geht zu Lasten des Beklagten. Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist galt auf jeden Fall wieder der Vorrang der Abführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung.

Aber auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrages des Beklagten entfällt die Strafbarkeit nach § 266a StGB nicht, so dass sich die Forderung der Klägerin weiterhin als eine solche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB darstellt.

Die Strafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers wegen Nichtabführens der Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung entfällt nach der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung nicht schon dann, wenn er in der Drei-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG die Arbeitnehmeranteile nicht abführt, sondern nur dann, wenn er die Zahlung deshalb zurückhält, um die Konsequenzen des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. zu vermeiden.

Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass der Geschäftsführer nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. unverzüglich, spätestens aber nach drei Wochen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte beantragen müssen. Diese Drei-Wochen-Frist ist eine Höchstfrist, die mit der Kenntnis des Organs beginnt. Sie dient dazu, den Organen der Gesellschaft noch die Möglichkeit zu geben, Sanierungsversuche durchzuführen. Deshalb ist der Insolvenzantrag dann früher zu stellen, wenn sich bereits vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist ersehen lässt, dass mit einer fristgerechten Sanierung nicht ernstlich zu rechnen ist. Während des Laufs der Drei-Wochen-Frist ist die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Dementsprechend hat der Gesetzge...

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