Verfahrensgang

AG Mainz (Entscheidung vom 12.07.2004)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Mainz vom 12. Juli 2004 aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Revision sowie die dem Angeklagte dabei jeweils entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

Der Strafrichter des Amtsgerichts Mainz hat den Angeklagten am 12. Juli 2004 wegen Beleidigung zum Nachteil der Zeugin Uxxx Wxxx zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses geltend macht, da die Geschädigte den notwendigen Strafantrag in der Hauptverhandlung zurückgenommen habe.

Die zulässige Sprungrevision hat in der Sache Erfolg.

Nach § 194 Abs. 1 S. 1 StGB wird die Beleidigung nur auf Antrag verfolgt. Eine Ersetzung des Strafantrags durch die Bejahung eines besonderen öffentlichen Interesses durch die Strafverfolgungsbehörde ist im Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht in analoger Anwendung dahin lautender Vorschriften wie etwa des § 230 Abs. 1 StGB möglich (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, § 194 Rdn. 2). Den erforderlichen Strafantrag hatte die Geschädigte am 28. Oktober 2003 frist- und formgerecht bei der Polizei gestellt, bei ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Mainz in der Hauptverhandlung am 12. Juli 2004 jedoch zurückgenommen, indem sie dort erklärte, die Entschuldigung des Angeklagten zu akzeptieren und kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung zu haben. Damit hat sie zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, eine Strafverfolgung nicht mehr zu wollen. Eine besondere Form schreibt das Gesetz für die Rücknahme eines Strafantrags nicht vor; sie kann demzufolge auch mündlich erklärt werden. Rücknahmeadressat ist nach Anklageerhebung das mit der Sache befasste Gericht (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 77 d Rdn. 2 und 3; Jähnke in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Auflage, § 77 d Rdn. 2 und 3; BGHSt 16, 105). Das damit eingetretene Verfahrenshindernis hat das Amtsgericht offenkundig übersehen.

Das angefochtene Urteil war deshalb gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 349 Rdn. 29 und § 354 Rdn. 6) und das Verfahren nach § 354 Abs. 1 StPO vom Revisionsgericht wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses einzustellen. Nach § 77 d Abs. 1 S. 3 StGB kann ein zurückgenommener Strafantrag nicht nochmals gestellt werden.

Die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Revision sowie die dem Angeklagten dabei jeweils entstandenen notwendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen. Zwar hat nach § 470 S. 1 StPO im Falle der Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme des Strafantrags grundsätzlich der Antragsteller die Verfahrenskosten und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Senat hat hier jedoch von der Ausnahmeregelung in § 470 S. 2 StPO Gebrauch gemacht, wonach die Staatskasse hiermit belastet werden kann, soweit die Belastung der Beteiligten unbillig wäre. Die vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Belastung der Antragstellerin wäre unter den hier gegebenen Umständen unbillig. Denn bei richtiger Sachbehandlung hätte das Amtsgericht die Geschädigte bei Rücknahme des Strafantrags auf den Eintritt des Verfahrenshindernisses und auf das damit für sie verbundene Kostenrisiko aus § 470 S. 1 StPO hinweisen und sie dazu hören müssen (vgl. Franke in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 470 Rdn. 2). Dies ist aber offenkundig in Verkennung der rechtlichen Bedeutung des Vorgangs unterblieben. Das Protokoll verhält sich hierzu jedenfalls nicht. Eine nachträgliche Anhörung der Antragstellerin macht schon deshalb keinen Sinn mehr, weil die Zurücknahme des Strafantrags nach § 77 d Abs. 1 S. 3 StGB unwiderruflich ist und auch nicht wegen eines möglichen Irrtums angefochten werden könnte (vgl. Jähnke, a.a.O., Rdn. 7). Hinsichtlich der Kosten der erfolgreichen Revision und der dem Angeklagten dabei entstandenen notwendigen Auslagen ergibt sich die Belastung der Staatskasse aus § 467 StPO (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdn. 2). Erfolgt die Einstellung des Verfahrens nach Rücknahme des Strafantrags im Hauptverfahren, trifft das erkennende Gericht eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 470 StPO und § 467 StPO. Entsprechendes gilt im Rechtsmittelverfahren (vgl. Paulus in KMRr StPO, § 470 Rdn. 7; Franke, a.a.O.).

Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2580311

StraFo 2005, 129

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