Leitsatz (amtlich)
1. Wird erheblicher Grundbesitz "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" auf einen (von mehreren) Abkömmling übertragen, ohne dass sich in dem Grundstücksübergabevertrag oder in sonstigen Unterlagen Hinweise darauf finden, dass die (spätere) Erblasserin den Übertragungsempfänger durch die vorzeitige Grundstücksübertragung in irgendeiner Weise bevorzugen oder dessen Geschwister benachteiligen wollte, ist von einer im Erbfall ausgleichungspflichtigen Übertragung auszugehen.
2. Wurde der Grundbesitz mit auf ihm lastenden Grundschulden übertragen, kann der ausgleichungspflichtige Erbe diese Wertminderung im Rahmen der durchzuführenden Ausgleichung zu seinen Gunsten in Ansatz bringen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 5 O 141/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.07.2022, Az. 5 O 141/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18.01.2023.
Gründe
Das Landgericht hat die negative Feststellungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Die negative Feststellungsklage ist zulässig. Das Nichtbestehen einer Ausgleichungspflicht stellt eine Vorfrage im Rahmen der Erbauseinandersetzung dar. Das hier zu beurteilende Rechtsverhältnis ist auch ein gegenwärtiges und kein erst künftig entstehendes Rechtsverhältnis (siehe insoweit: Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 256, Rn. 3 a). Vorliegend ist der Erbfall eingetreten und die Beklagte hat gemäß den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.11.2020 das Bestehen der Ausgleichspflicht hinsichtlich des zu Lebzeiten übertragenen Grundbesitzes auf den Kläger behauptet. Das Vorliegen eines Feststellungsinteresses auf Seiten des Klägers ist somit zu bejahen.
Der Senat ist aber mit dem Landgericht der Überzeugung, dass es sich bei der Übertragung der Grundstücke von der Erblasserin auf den Kläger im Jahr 1987 um eine ausgleichspflichtige Zuwendung im Sinne von § 2050 Abs. 3 BGB gehandelt hat. Die Feststellungsklage ist somit unbegründet.
Gemäß § 2050 Abs. 3 BGB sind "andere Zuwendungen unter Lebenden" zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Anders als die von § 2050 Abs. 1 BGB erfasste Ausstattung, sind die "anderen Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden" an seine Abkömmlinge somit nur bei entsprechender Anordnung des Erblassers vor oder bei der Zuwendung ausgleichspflichtig. Die Anordnung kann hierbei auch stillschweigend geschehen, muss aber so getroffen werden, dass der Empfänger sie erkennen und die Zuwendung ablehnen kann. Erfolgt in einem Übergabevertrag ohne weitere Bestimmung eine Zuwendung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ist es Auslegungsfrage, was der Erblasser anordnen wollte (BGH IV ZR 91/09, Urteil vom 27.01.2012, juris). Ausschlaggebend ist, ob eine teilweise Enterbung der nicht am Übertragungsvertrag Beteiligten festgelegt werden soll oder der Empfänger der Übertragung nur zeitlich vorgezogen bedacht sein soll und es im Übrigen bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall verbleiben soll (Ausgleichung). Dies erfordert eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Auflage, § 2050, Rn. 10; BGH IV ZR 91/09, Urteil vom 27.01.2010, beck-online). Was die Darlegungs- und Beweislast angeht, liegt diese bei demjenigen, der aus der Ausgleichung Rechte herleiten will (OLG Koblenz, 5 W 166/12, Beschluss vom 10.04.2012, juris).
Der Grundstücksübertragungsvertrag des Notars G. vom 16.03.1987 enthält keine ausdrückliche Anordnung der Erblasserin, die streitgegenständliche Zuwendung in Gestalt der Grundstücksübertragung zur Ausgleichung zu bringen. Unter Punkt I. des Grundstückübergabevertrages ist aber geregelt, dass die Erblasserin dem Kläger den Grundbesitz im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen hat. Wie das Landgericht erkennt auch der Senat nicht, welchen Sinn diese gewählte Formulierung ("im Wege der vorweggenommenen Erbfolge") haben sollte, wenn die Grundstücksübertragung dann beim späteren Eintritt der tatsächlichen Erbfolge (Versterben der Erblasserin) in keiner Weise anzurechnen wäre. In diesem Fall würde die (eigentliche) Erbfolge ja gerade nicht (mehr) eintreten. Es finden sich auch weder in dem Grundstücksübergabevertrag, noch in den sonstigen im Laufe des Rechtsstreits vorgelegten Unterlagen Hinweise darauf, dass die Erblasserin den Kläger durch die vorzeitige Grundstücksübertragung in irgendeiner Weise bevorzugen bzw. die Schwester des Klägers benachteil...