Leitsatz (amtlich)
1.
Das RVG ist im Falle der Pflichtverteidigerbestellung nach dem 1.7.2005 auch dann anzuwenden, wenn der Verteidiger vorher als Wahlverteidiger tätig gewesen ist.
2.
Die Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 2 S. 3 RVG gilt gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 RVG nicht nur für die Beschwerde, sondern auch für die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 04.05.2005; Aktenzeichen 2030 Js 26771/04 - 2 Kls) |
Tenor
Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 4. Mai 2005 wird als unbegründet verworfen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).
Gründe
I.
Nachdem sich Rechtsanwalt H... am 7. Juni 2004 im Ermittlungsverfahren als Wahlverteidiger bestellt hatte, war er nach Anklageerhebung zur Strafkammer am 17. September 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Nach Entpflichtung und Beiordnung eines anderen Verteidigers aus derselben Kanzlei am 27. Oktober 2004 wurde Rechtsanwalt H... in der Hauptverhandlung am 4. Februar 2005 erneut zum Verteidiger bestellt. In diesem Termin wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Kosten und Auslagen wurden dem früheren Angeklagten auferlegt.
Am 18. Februar 2005 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die dem Pflichtverteidiger aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung antragsgemäß auf 1239,87 EUR festgesetzt. Dabei wurde das RVG zugrunde gelegt. Es wurden Gebühren der Nr. 4101, 4104/4105, 4113 und 4115 in Höhe von insgesamt 713 EUR in Ansatz gebracht.
Gegen die Kostenfestsetzungsentscheidung, die dem Vertreter der Landeskasse am 22. Februar 2005 zugestellt worden war, hat der Bezirksrevisor mit am 17. März 2005 eingegangenem Schreiben vom 14. März 2005 Erinnerung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die Kostenfestsetzung noch nach der BRAGO erfolgen müsse, wenn der Verteidiger nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts (1. Juli 2004) beigeordnet worden ist, aber - wie hier - vorher bereits als Wahlverteidiger tätig war. Außerdem hält er die Erinnerung für nicht fristgebunden.
Die Strafkammer hat die Erinnerung durch (in der Besetzung mit drei Richtern gefassten) Beschluss vom 4. Mai 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Nach ihrer Auffassung gilt für die Erinnerung gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG die Zweiwochenfrist. Darüber hinaus hält sie die Kostenfestsetzung für richtig, weil neues Recht anzuwenden sei.
Gegen den dem Bezirksrevisor am 18. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat er namens der Landeskasse am selben Tag Beschwerde eingelegt.
II.
Das Rechtsmittel, über das der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 HS. 2 RVG), ist gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt. Fände die BRAGO Anwendung, so wären die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren mehr als 200 EUR niedriger. Sie würden nur 375 EUR betragen (§§ 97 Abs. 1 S. 1 und 3, 83 Abs. 1 Nr. 2, 84 Abs. 1 BRAGO. Die Beschwerde erfüllt auch die weiteren Zulässigkeitserfordernisse. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 und Abs. 7 RVG).
In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.
Die Strafkammer hat die Erinnerung der Staatskasse zu Recht wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen. Die Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG gilt gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 RVG nicht nur für die Beschwerde, sondern auch für die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 56 RVG Rdn. 6; von Eicken in: Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., § 56 Rdn. 5). Die Gegenauffassung überzeugt nicht. § 56 RVG regelt die Erinnerung und Beschwerde gegen die nach § 55 RVG erfolgten Festsetzungen. Während § 56 Abs. 1 RVG eine Zuständigkeitsregelung für die Erinnerungsentscheidung enthält (die der Gesetzgeber mangels eines entsprechenden Regelungsgehalts des § 33 RVG schaffen musste), enthält Abs. 2 dieser Bestimmung, wonach § 33 Abs. 3 bis 8 entsprechend anwendbar sind, Regelungen für Erinnerung und Beschwerde. Das ergibt sich schon aus der Regelungsmaterie der in Bezug genommenen Absätze 3 bis 8 des § 33 RVG. Darin finden sich Bestimmungen, die - wie etwa die bei Rechtsmitteleinlegung zu beachtenden Formerfordernisse (§ 33 Abs. 7 RVG) - zwingend einer gesetzlichen Normierung für beide Rechtsmittel bedurften. Durch die uneingeschränkte Verweisung auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 33 Abs. 3 bis 8 RVG hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG nicht nur für die Beschwerde, sondern auch für die Erinnerung nach § 56 Abs. 1 RVG gelten soll. Die Auffassung des Vertreters der Landeskasse hätte zur Konsequenz, dass einem unbefristeten Rechtsbehelf (Erinnerung) ein befristetes Rechtsmittel (Beschwerde) folgen würde. Dass der Gesetzgeber das gewollt haben könnte, erscheint kaum vor...