Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung. anwaltliche Mehrvertretung. Erhöhte Gebühr bei Passivprozeß der Anwaltssozietät

 

Leitsatz (amtlich)

Im Passivprozeß der Anwaltssozietät (BGB-Gesellschaft) fällt die erhöhte Prozeßgebühr des § 6 BRAGO an und ist auch erstattungsfähig (notwendig).

 

Normenkette

BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Gerichtsbescheid vom 09.06.1997; Aktenzeichen 15 O 200/96)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der einzelrichterliche Kostenfestsetzungsbeschluß der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Juni 1997 aufgehoben und der vom Rechtspfleger gefaßte Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Koblenz vom 11. Februar 1997 – unter Zurückweisung des dagegen gerichteten Rechtsmittels der Klägerin – wiederhergestellt.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Der Beschwerdewert wird auf 483 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Sie führt dazu, daß der richterliche Abhilfebeschluß, der auf die Erinnerung der Klägerin hin ergangen ist, aufgehoben und der Ausgangsbeschluß des Rechtspflegers wiederhergestellt wird. Damit ist gleichzeitig das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.

1. Die Klägerin hatte die beklagten Rechtsanwälte auf Honorarerstattung verklagt und sich auf ungerechtfertigte Bereicherung berufen. Die Klage wurde abgewiesen. Da sie sich ursprünglich gegen drei Rechtsanwälte (Praxisgemeinschaft) gerichtet hatte, hat der Rechtspfleger den Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren einen Anspruch auf Erstattung zweier 3/10-Gebühren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zugebilligt. Demgegenüber hat der Einzelrichter beim Landgericht gemeint, daß für den Ansatz entsprechender Erhöhungsgebühren kein Raum sei.

2. Der Einzelrichter hat seine Entscheidung unter Hinweis auf einen Beschluß des Senats (JurBüro 1995, 305) damit begründet, daß die Beklagten als BGB-Gesellschaft in Anspruch genommen worden seien und im Hinblick auf ihre gesamthänderische Verbundenheit ein besonders zu vergütender anwaltlicher Mehraufwand bei der Fallbearbeitung gefehlt habe. Von dieser Rechtsprechung ist der Senat indessen neuerlich abgerückt (Beschluß vom 28. April 1997 – 14 W 210/97). Er hat die Meinung, ein typischerweise gleichgelagertes Auftraggeberinteresse hindere die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO, ausdrücklich aufgegeben und sich im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung der ganz überwiegenden gegenteiligen Auffassung (vgl. BGH NJW 1984, 2296 und die Nachweise bei von Eicken in Gerold/Schmidt, BRAGO, 12. Aufl., § 6 Rn. 3, 10 und 14) angeschlossen.

Dazu hat er bemerkt:

„Diese Ansicht, die im Fall der anwaltlichen Mehrvertretung auf eine Einzelfallprüfung verzichtet, entspricht dem schematisierenden Normwortlaut. Sie trägt gleichzeitig zur Vereinfachung und Beschleunigung des Kostenfestsetzungsverfahrens bei. Denn es ist dann grundsätzlich nur nach der Anzahl der von dem Anwalt vertretenen Parteien zu entscheiden. Materiell hat das so gefundene Ergebnis seine Berechtigung darin, daß sich das Haftungsrisiko des Anwalts, dem der Gebührenanspruch Rechnung tragen muß, auch dann durch die Vertretung mehrerer Mandanten erhöhen kann, wenn diese gesamthänderisch verbunden sind. Denn unterliegt die Gesamthandsgemeinschaft, muß der Anwalt gewärtigen, daß seine Tätigkeit von mehr als nur einer Person kritisch überdacht und gegebenenfalls zum Anlaß genommen wird, auf einen Regreß hinzuwirken.”

Diese Rechtsprechung wendet der Senat beim Passivprozeß der Anwaltssozietät ebenfalls an. Denn sind sie alle verklagt, so müssen sie alle ein Prozeßmandat erteilen. Sie sind dann notwendigerweise mehrere Auftraggeber, so daß, wie hier, die erhöhte Prozeßgebühr anfällt.

3. Aktivprozeß

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß eine Partei, die in einem – dem vorliegenden Prozeß spiegelbildlichen – Rechtsstreit von einer Anwaltssozietät mit Erfolg auf Honorarzahlung verklagt wird (Aktivprozeß der Sozietät), die auf der Gegenseite gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erfallenen Erhöhungsgebühren erstatten muß. Denn eine Anwaltssozietät ist gehalten, bei der Durchsetzung von Honorarforderungen den kostengünstigsten Weg zu beschreiten. Deshalb kann ihr – am Gebot der Notwendigkeit (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu messender – Kostenerstattungsanspruch nicht höher sein, als er bei einer Prozeßführung wäre, die den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet hätte. Eine solche Prozeßführung schließt grundsätzlich die Obliegenheit ein, ein einzelnes Sozietätmitglied mit der prozessualen Geltendmachung der Honorarforderungen zu beauftragen (Senat JurBüro 1994, 729; von Eicken a.a.O. § 6 Rn. 15 m.w.N.).

4. Der Kostenausspruch beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

 

Unterschriften

Bischof, Dr. Menzel, Weller

 

Fundstellen

Haufe-Index 537629

JurBüro 1998, 302

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