Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens; Austausch von Kosten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitgegenstandsbegriff im Kostenfestsetzungsverfahren ist mit dem des allgemeinen Erkenntnisverfahrens identisch.
2. Verfahrensgebühr und Terminsgebühr entstehen aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte. Daher ist es nicht statthaft, eine angemeldete, aber nicht zu erstattende Verfahrensgebühr gegen eine zwar angefallene, aber nicht angemeldete Terminsgebühr auszutauschen (Klarstellung und Ergänzung zu OLG Koblenz in JurBüro 1992, 610).
Normenkette
RVG-VV § 3100; ZPO § 91 Abs. 1, § 104 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 322 Abs. 1; RVG § 2 Abs. 2 S. 1, § 15a Abs. 2; RVG-VV § 3202
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 19.09.2011; Aktenzeichen 15 O 24/11) |
Tenor
1. Der Nichtabhilfebeschluss des LG Koblenz vom 19.9.2011 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an das LG Koblenz zurückgegeben, das nach Anhörung des Klägers über die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.8.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden hat.
Gründe
Der Kläger beantragte, gegen den umfassend kostenpflichtigen Beklagten eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Postpauschale und Mehrwertsteuer festzusetzen. Dem hat der Rechtspfleger durch Beschluss vom 3.8.2011 entsprochen. Mit seiner sofortigen Beschwerde beanstandet der Beklagte, dass die Anrechnung der (titulierten) Geschäftsgebühr unterblieben ist.
Diesen Einwand hat der Rechtspfleger als durchgreifend erachtet, gleichwohl der sofortigen Beschwerde aber nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, neben der Verfahrensgebühr sei auf Klägerseite auch eine Terminsgebühr angefallen und daher vom Beklagten zu erstatten, was im Endergebnis einen noch höheren als den festgesetzten Erstattungsbetrag ergebe. Ein derartiger Austausch von Kostenpositionen sei nach der Kommentierung bei Zöller - Herget, ZPO, 28. Aufl., Rz. 21 zu § 104 ZPO und den dort in Bezug genommenen obergerichtlichen Entscheidungen statthaft.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der in JurBüro 1990, 211 - 212 abgedruckten, scheinbar einschlägigen Senatsentscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der zunächst fehlende Antrag mit der Erinnerung nachgeholt worden war. Die Rechtsfrage nach der Statthaftigkeit eines "Austauschs" von Kostenpositionen trotz fehlenden Antrags stellte sich daher nicht, so dass in den damaligen Ausführungen nur ein nicht tragendes "obiter dictum" zu sehen ist.
Der vorliegende Fall liegt anders (vgl. zum Problem auch OLG Koblenz in JurBüro 1992, 610 - 611). Der Kläger hat nämlich die Festsetzung einer Terminsgebühr nicht beantragt.
Der Zivilprozess und damit auch das Kostenfestsetzungsverfahren sind vom Antragsgrundsatz beherrscht (§§ 104 Abs. 1 Satz 1, 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Verfahrensgebühr und Terminsgebühr knüpfen an unterschiedliche tatsächliche Umstände an, so dass nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, von dem auch bei der Kostenfestsetzung auszugehen ist, keine Identität der Streitgegenstände besteht.
Dem Rechtspfleger ist allerdings zuzugeben, dass eine in Rechtsprechung und Literatur verbreitete Ansicht einen Austausch angemeldeter, indes nicht zu erstattender Kosten gegen angefallene, aber nicht zur Erstattung angemeldete Kosten im Verfahren nach § 104 ZPO zulässt (vgl. die Nachweise bei Mathias in von Eicken et. al., Die Kostenfestsetzung 20. Aufl., unter B 72, B 200 und D 117). Zur Begründung heißt es etwa bei Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Rz. 23 zu § 104 ZPO, eine seit langem bestehende "und aus Billigkeitsgründen berechtigte Praxis" beziehe den Antragsgrundsatz nur auf den Gesamtbetrag der verlangten Kosten und gestatte innerhalb dieser Grenze den Austausch eines nicht berechtigten Ansatzes gegen einen berechtigten, aber nicht geforderten.
Das ist nach Auffassung des Senats nicht richtig. Der Antragsgrundsatz hat im Kostenfestsetzungsverfahren dieselbe Bedeutung wie im allgemeinen Erkenntnisverfahren.
Wird dort beispielsweise wegen einer Körperverletzung statt des berechtigten Schmerzensgeldes von lediglich 500 EUR ein solches von 1000 EUR beantragt und beiläufig noch ein Verdienstausfallschaden von 2000 EUR aus demselben Sachverhalt dargelegt, indes nicht eingeklagt, zieht niemand in Betracht, der Klage in vollem Umfang stattzugeben mit der Begründung, der Schädiger schulde zwar nur 500 EUR Schmerzensgeld, die insoweit zum Klageantrag fehlenden 500 EUR seien jedoch aus dem dargelegten, indes nicht eingeklagten Verdienstausfallschaden von 2000 EUR "aufzustocken".
Weshalb im Kostenfestsetzungsverfahren etwas anderes gelten soll, lässt sich nicht überzeugend begründen. Im Übrigen ist auch nicht auszuschließen, dass der Kläger die Anmeldung der Terminsgebühr nicht übersehen, sondern insoweit bewusst keinen Antrag gestellt hat, etwa aufgrund einer entsprechenden, nicht aktenkundigen Absprache mit dem Beklagten. Gegebenenfalls wird der Kläger durch den Austausch der hälftigen Verfahrensgebühr gegen ...