Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrüge. Begründung. Begründungsanforderungen. Inbegriff der Hauptverhandlung. Urkunde. Verlesung. Augenschein. Augenscheinsbeweis. Geschwindigkeitsüberschreitung. Verkehrszeichen. Geschwindigkeitstrichter
Leitsatz (amtlich)
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer auf die Verletzung des § 261 StPO gerichteten Verfahrensrüge, im Urteil sei ein Schriftstück verwertet worden, das nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei, gehört nicht nur die Behauptung, die Urkunde sei nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass das Schriftstück nicht in sonst zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wordn ist, wobei der Umfang des erforderlichen Tatsachenvortrages von den prozessualen Umständen des Einzelfalles abhängt.
2. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist der Begründungsaufwand für eine entsprechende Verfahrensrüge an den zusätzlichen prozessualen Möglichkeiten für die Einführung von Schriftstücken gemäß § 78 Abs. 2 OWiG zu messen. Schlüssig ist die Rüge hier nur dann erhoben, wenn sie die Unterlassung aller prozessual möglichen Wege der Einführung des Schriftstückes konkret behauptet.
3. Die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Rahmen einer Zeugenvernehmung bedarf nicht der Aufnahme in die Sitzungsniederschrift. Schweigt also das Hauptverhandlungsprotokoll hinsichtlich der Erhebung eines Augenscheinsbeweises, schließt dies nicht aus, dass die entsprechenden Beweismittel im Rahmen der Vernehmung eines Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
4. Aus § 41 II 1 StVO folgt, dass ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit so einzurichten hat, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwinidkeit begrenzenden Schildes die von diesem vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. 5. Zwar kann ein relativ kurzer Abstand zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle Auswirkungen auf die gegen den Betroffenen zu verhängenden Rechtsfolgen haben; dies ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein sog. Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen hat.
Verfahrensgang
AG Wittlich (Entscheidung vom 12.10.2010) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 12. Oktober 2010 wird als unbegründet auf ihre Kosten verworfen.
Gründe
I.
1.
Durch Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung B. vom 24. März 2010 wurde gegen die Betroffene wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h eine Geldbuße von 105,- Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Nach Einspruch der Betroffenen hat das Amtsgericht Wittlich mit dem angegriffenen Urteil vom 12. Oktober 2010 diese Rechtsfolgen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h festgesetzt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr die Betroffene am 8. März 2010 gegen 11.05 Uhr mit einem Pkw die Bundesautobahn A 60, Gemarkung A. in Fahrtrichtung S., mit einer Geschwindigkeit von - nach Toleranzabzug - 86 km/h, obwohl durch Vorschriftszeichen 274 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h angeordnet war. Der Messstelle ging ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter voraus, durch den die zulässige Höchstgeschwindigkeit stufenweise mittels mehrerer nacheinander aufgestellter Vorschriftszeichen herabgesetzt wird. Wegen Voreintragungen der Betroffenen im Verkehrszentralregister hat das Amtsgericht die Regelgeldbuße von 80,- Euro um 25,- Euro erhöht und die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV als erfüllt angesehen.
Das in Abwesenheit der Betroffenen und ihres Verteidigers verkündete Urteil wurde zunächst am 15. Oktober 2010, rechtswirksam jedoch erst am 6. Januar 2011 zugestellt.
2.
Hiergegen hat die Betroffene am 18. Oktober 2010 Rechtsbeschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel unter dem 22. November 2010 näher begründet. Sie rügt die Verletzung von § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 261 StPO, weil das Amtsgericht die Voreintragungen im Verkehrszentralregister berücksichtigt habe, ohne diese in die Beweisaufnahme eingeführt zu haben. Dies gelte auch für Fotografien von der Örtlichkeit der Messstelle sowie den Beschilderungsplan. Darüber hinaus sei auch materielles Recht verletzt, weil das Urteil keine Darlegungen hinsichtlich des Abstandes zwischen Vorschriftszeichen und Messstelle enthalte.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat - entgegen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - insgesamt keinen Erfolg.
1.
Sie ist unzulässig, soweit die Verletzung von § 261 StPO mit der Behauptung gerügt wird, das Gericht habe Beweismittel zum Gegenstand seiner Urteilsfindung gemacht, die nicht ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden seien.
Hinsichtlich der Berücksichtigung von Eintragungen im Verkehrszentralregister führt die Rechtsbeschwerde aus, der entsprechende Verkehrszentralregisterau...